Plotino Constantino Rhodakanaty (1828–1890)

Persönliche Daten
Namensvarianten
das ist Plotinos Konstantinos Rhodokanakis
das ist Πλωτίνος Κωνσταντίνος Ροδοκανάκης
falsche griechische Namensform: Plotinos Konstantinos Rhodokanatis
falsche griechische Namensform: Πλωτίνος Κωνσταντίνος Ροδοκανάτης
Pseudonym: D. José Cosmos
Geburtsdatum
14. Oktober 1828
Sterbedatum
2. Februar 1890
Religionsbekenntnis
griechisch-orthodox, seit 20. November 1879 Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage (Mormonen), 1881 exkommuniziert
Adressen

Vater: Konstantinos Emmanuil Rhodokanakis ‹Κωνσταντίνος Εμμανουήλ Ροδοκανάκης› (? – Athen ‹Αθήνα›, Griechenland 1844): Arzt und Schriftsteller; Heirat mit:
Mutter: [?] Rhodokanakis ‹[?] Ροδοκανάκης›, geborene [?]: Hausfrau, angeblich österreichischer Herkunft
Ehe: in Mexiko 1881 mit Soledad Girón (1860 – ?): Hausfrau
Adoptivsohn: Plotino Nefi Rhodakanaty; später: Plotino Nefi Riquelme Girón (Ciudad de México, Mexiko 8. Juli 1879 – Ciudad de México, Mexiko 3. Mai 1949)

Biographie

Vorab sei festgehalten, dass nur wenig Gesichertes über das Leben von Plotino Constantino Rhodakanaty bekannt ist. Dieser biografische Artikel kann daher nur als Versuch einer Lebensgeschichte gewertet werden. Plotino Constantino Rhodakanaty stammte aus einer griechischen Adelsfamilie. Er wuchs in dem gerade vom Osmanischen Reich unabhängig gewordenen Griechenland auf und wurde zweisprachig (Griechisch und Französisch) erzogen. Da sein Vater 1844 verstarb, übersiedelte Plotino Constantino Rhodakanaty nach Abschluss seiner Schulausbildung 1846 mit seiner Mutter nach Wien, wo sie Verwandte hatten. Hier begann Rhodakanaty ein Studium der Medizin. Er nahm als Student an der am 13. März 1848 in Wien begonnenen Revolution teil. Und im Sommer 1848 reiste er nach Pest [zu Budapest] (Ungarn) und Buda / Ofen [zu Budapest] (Ungarn), wo am 15. März 1848 ebenfalls die Revolution ausgebrochen war. Hier ging es allerdings nicht nur um bürgerliche Freiheiten, sondern vor allem um die Unabhängigkeit von Österreich. Auch in Ungarn stellte sich Rhodakanaty offen auf die Seite der Aufständischen. Am 3. Oktober 1848 begann der Krieg zwischen Österreich und Ungarn, und am 31. Oktober 1848 wurde die Revolution in Wien blutig niedergeschlagen.

Da er als studentischer Teilnehmer an den Revolutionen in Wien und Ungarn strafrechtliche Folgen fürchtete, übersiedelte Plotino Constantino Rhodakanaty mit seiner Mutter im Herbst 1848 nach Berlin (Preußen [Berlin]). Hier setzte er sein Studium der Medizin an der Friedrich-Wilhelms-Universität, der heutigen Humboldt-Universität, fort und wurde zum Doktor der Medizin promoviert. Daneben betrieb er philosophische Studien und kam erstmals mit sozialistischen Ideen in Berührung. Besonders begeistert war er von den Schriften von Pierre-Joseph Proudhon (1809–1865), den er in Paris (Frankreich) 1850 mehrmals besuchte. Übrigens lebte Rhodakanaty in Berlin 1855 einige Monate mit dem Cousin seiner Mutter, dem bekannten Schriftsteller Emmanuil Roídis ‹Εμμανουήλ Ροΐδης› (1836–1904), zusammen.

Während seine Mutter 1857 nach Wien zurückkehrte, übersiedelte Plotino Constantino Rhodakanaty nach Paris (Frankreich), wo er sich als Arzt auf Homöopathie spezialisierte. Vor allem aber arbeitete er an einer Synthese der Ideen von Pierre-Joseph Proudhon und von Charles Fourier (1772–1837). Und er verfasste sein erstes Buch, »De la naturaleza« (Über die Natur), das dann 1860 in Paris erschien.

1860 übersiedelte Plotino Constantino Rhodakanaty nach Spanien, um die Sprache zu erlernen. Er hatte nämlich die Absicht, nach Mexiko auszuwandern, weil man dort aufgrund des Dekrets vom 1. Februar 1856 leicht landwirtschaftliche Kolonien errichten konnte und außerdem Immigranten die mexikanische Staatsbürgerschaft angeboten erhielten. Vor allem aber stieß er in Barcelona (Spanien) auf eine große anarchistische Gemeinschaft. Aber bereits im Jänner 1861 schiffte er sich im Hafen von Cádiz (Spanien) ein.

Im Februar 1861 kam Plotino Constantino Rhodakanaty in Veracruz (Mexiko) an und ließ sich kurz darauf in der Ciudad de México (Mexiko) nieder. Hier arbeitete er als homöopathischer Arzt und gab zunächst Privatunterricht. Bahnbrechend wurde er durch sein 1861 veröffentlichtes Werk »Cartilla Socialista« (Sozialistische Fibel), das erste in Mexiko veröffentlichte sozialistische Buch. Rhodakanaty unterrichtete dann Philosophie am Colegio de San Idelfonso. Im Medizinstudenten Francisco Zalacosta (1844–1880) fand Rhodakanaty einen wichtigen Gesinnungsgenossen für seine Idee einer »Falanstério« (Phalansterie), einer landwirtschaftlichen Kommune. 1863 gründete Rhodakanaty mit Studentinnen und Studenten eine anarchistisch-fourieristische Gruppe, den »Club Socialista de Estudiantes« (Sozialistischer Klub der Studenten), aus dem 1865 die »Grupo de Estudiantes Socialista« (Gruppe sozialistischer Studenten) hervorging. Dessen Mitglieder begannen vor allem auf Initiative des Anarchisten und Rhodakanaty-Schülers Santiago Villanueva (1838–1872) 1864 unter den Textilarbeitern des Valle de México nahe der mexikanischen Hauptstadt zu agitieren. Die Textilarbeiter gründeten mit Hilfe der »Grupo de Estudiantes Socialista« im Oktober 1864 die erste Gewerkschaft Mexikos, die »Sociedad Particular de Socorros Mutuos« (Private Gesellschaft der gegenseitigen Hilfe), aus der bereits im November 1864 die »Sociedad Mutua del Ramo de Sastrería« (Gegenseitige Gesellschaft des Zweigs der Schneider) hervorging. Im März 1865 wurde von Anhängern und Schülern Rhodakanatys die »Sociedad Mutualista de Ramo de Hilados y Tejidos del Valle de México« (Mutualistische Gewerkschaft des Zweigs der Spinner und Weber des Valle de México) gegründet. Diese Gewerkschaft organisierte im Juni 1865 den ersten Streik in Mexiko, welcher jedoch auf Veranlassung des aus Österreich stammenden Kaisers von Mexiko Maximilian I. (1832–1867) durch die Armee gewaltsam niedergeschlagen wurde.

Nach der Spaltung der »Sociedad Mutualista de Ramo de Hilados y Tejidos del Valle de México« zog sich Plotino Constantino Rhodakanaty 1865 gemeinsam mit Francisco Zalacosta nach Chalco [zu Chalco de Díaz Covarrubias] (Mexiko) zurück, während Santiago Villanueva in der Hauptstadt verblieb. In Chalco gründeten Rhodakanaty und Zalacosta für die dortigen Bäuerinnen und Bauern die »Escuela del Rayo y del Socialismo« (Schule der Vernunft und des Sozialismus), aus der sich später die »Escuela moderna y libre« (Moderne und freie Schule) entwickelte. In dieser Schule wurden Bäuerinnen und Bauern in Lesen und Schreiben, aber auch in der Organisation libertär-sozialistischer Gemeinschaften unterrichtet. Rhodakanaty beteiligte sich seit 1866 auch an landwirtschaftlichen Experimenten, welche auf die Bildung einer »Comunidad agrícola« (Landwirtschaftliche Kommune) abzielten. 1868 inspirierte er die Gründung der anarchistischen, stark an Michail Alexandrowitsch Bakunin ‹Михаил Александрович Бакунин› (1814–1876) orientierten, teilweise geheim organisierten Gruppe »La Social« (Das Soziale). Ein Mitglied dieser Gruppe und Schüler Rhodakanatys, der junge Bauer Julio Chávez López (1839–1869), organisierte – von Rhodakanaty und Zalacosta unterstützt – den Aufstand der Bäuerinnen und Bauern von Chalco, der am 9. Juli 1868 begann. Nachdem zunächst einige Städte und Dörfer von den Aufständischen eingenommen werden konnten, wurde der Aufstand von der Armee blutig niedergeschlagen. Während López Chávez gefangen genommen und hingerichtet wurde, verblieb Francisco Zalacosta zunächst im Gebiet und schloss sich später einer Gruppe bewaffneter Bauern im Bundesstaat Hidalgo an. Hingewiesen sei darauf, dass Rhodakanaty, ein überzeugter Anhänger der Gewaltlosigkeit, am Aufstand nicht persönlich teilnahm.

1870 begab sich Plotino Constantino Rhodakanaty wieder in die Ciudad de México, wo sich die anarchistische Bewegung mittlerweile gespalten hatte und sein einstiger Anhänger Santiago Villanueva als Dachorganisation der Gewerkschaften am 16. September 1870 den »Gran Círculo Obreros de México« (Großer Arbeiterverein Mexikos) gründete. Diesem gehörten zwar auch Anarchistinnen und Anarchisten an, doch im Wesentlichen tendierte er zum autoritären Sozialismus. Dem versuchte Rhodakanaty mit seiner wieder aktivierten Gruppe »La Social« entgegenzuwirken. Dieser schlossen sich nach der Niederschlagung der Pariser Commune 1871 auch Flüchtlinge aus Frankreich an. Als 1874 die »Sociedad Artística Industrial« (Vereinigung der Industriearbeiter) gründet wurde, löste sich »La Social« auf. Rhodakanaty gehörte 1871 zu den Mitbegründern der Arbeiterzeitung »El Socialista« (Ciudad de México; Der Sozialist), an der er regelmäßig mitarbeitete, und gründete 1874 die von ihm herausgegebene Zeitung »El Cronoscopio« (Ciudad de México; Das Chronoskop).

Plotino Constantino Rhodakanaty, der 1875 mit der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage, besser bekannt als Mormonen, in Kontakt kam, ließ sich 1879 nach deren Ritus taufen und wurde erster Ältester und erstes Oberhaupt der mexikanischen Mormonen-Kirche La Iglesia de Jesucristo de los Santos de los Últimos Días. Mit 1. September 1879 gab er auch die Zeitung »La Voz del Desierto. Periodico Mormonico. Organo de la Rama Mexicana de ›La Iglesia de Jesucristo de los Santos de los Últimos Días‹« (Ciudad de México; Die Stimme der Wüste. Mormonenzeitung. Organ des mexikanischen Zweigs der ›Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage‹) heraus. Doch schon im August 1880 zog er sich von der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage zurück, nachdem diese seinen Plan einer utopischen Gesellschaft abgelehnt hatte, und wurde 1881 exkommuniziert.

Anfang der 1880er-Jahre begab sich Plotino Constantino Rhodakanaty, der nun ausschließlich als Philosoph tätig war, nach Ajusco (Mexiko). Hier war er Mitinitiator des psychologischen Seminars an der »Escuela Nacional Preparatoria« (Nationale vorbereitende Schule), dessen Leiter der bekannte Naturwissenschaftler Alfonso Herrera Fernández (1838–1901) war. Lange Zeit hielt sich der Mythos, Plotino Constantino Rhodakanaty sei nach Europa abgereist. Tatsächlich verstarb er am 2. Februar 1890 in der Ciudad de México an perniziösem (bösartigem) Fieber.

Bücher und Broschüren

  1. De la Naturaleza. París [Paris]: [?] 1860, ? S. Spanisch: Über die Natur.
  2. Cartilla Socialista o sea el catecismo elemental de la escuela de Carlos Fourier: El falansterio. México: Imp. de V. G. Torres 1861, 16 S. Spanisch: Sozialistische Fibel, oder Der grundlegende Katechismus der Schule von Charles Fourier: Das Phalansterium.
  3. Neo-Panteismo, consideraciones sobre el hombre y la naturaleza. México: Imprenta de Rivera 1864, 160 S. Spanisch: Neo-Pantheismus, Betrachtungen über den Menschen und die Natur.
  4. Humanismo integral de México. México: Impr. de J. Rivera 1870 (= Biblioteca pública de Guadalajara.), 208 S. Spanisch: Integraler Humanismus von Mexiko.
    b) Garantismo humanitario. México: Impr. El Socialista 1876, ? S. Neuauflage. Spanisch: Humanitäre Garantie.
  5. Disertación sobre la verdadera pronunciación del griego. México: [?] 1879, ? S. Spanisch: Dissertation über die tatsächliche Aussprache des Griechischen.
  6. Metafísica trascendental o sea la Ética de Spinoza. México: Impr. de H. Sánchez e Hijo 1881, ? S. Betrifft Baruch de Spinoza (1632–1677). Spanisch: Transzendentale Metaphysik, oder Die Ethik von Spinoza.
  7. Tratado de lógica elemental en forma de diálogo para uso de los colegios de instrucción primaria y secundaria de la República. México: Impr. Económica de Valera y Compañía 1882, ? S. Spanisch: Abhandlung über elementare Logik in Form eines Dialogs zur Nutzung der Grund- und weiterführenden Schulen der Republik.
  8. Cartilla Socialista-Repúblicana. Dedicada a la clase obrera de México y al naciente partido universal del porvenir en todo el mundo. México: [o. V.] 1883, 31 S. Spanisch: Sozialistisch-Republikanische Fibel. Gewidmet der Arbeiterklasse Mexikos und der entstehenden Universalpartei der Zukunft auf der ganzen Welt.
  9. Reflexiones filosófico-sociales a favor del divorcio. México: Impr. »El Socialista« 1883, ? S. Spanisch: Philosophisch-soziale Überlegungen zugunsten der Ehescheidung.
  10. Médula panteística del sistema filosófico de Spinoza. México: Imp. de G. Veraza 1885, ? S. Betrifft Baruch de Spinoza (1632–1677). Spanisch: Pantheistische Kernstücke des philosophischen Systems von Spinoza.

Übersetzungen

  1. Pierre-Joseph Proudhon (1809–1865): Idea general de la revolución en el siglo XIX. Epílogo, vertida al castellano de la segunda edición francesa por D. José Comas. Barcelona: Juan Pons, Editor 1870 (= Biblioteca de ambos mundos.), 236 S. Übersetzer: José Comas, d. i. Plotino Constantino Rhodakanaty. Spanisch: Allgemeine Vorstellung der Revolution im 19. Jahrhundert. Epilog, ins Spanische übersetzt nach der zweiten französischen Ausgabe von D. José Comas. Original: Idées révolutionnaires. Les Malthusiens – Programme révolutionnaire – La Réaction – Question étrangère – La Présidence – Argument à la Montagne – Le Terme – Toast à la révolution. Paris 1849 (später unter dem Titel: Idée générale de la révolution au XIXe siècle. Choix d’études sur la pratique révolutionnaire et industrielle).
    b) Pierre-Joseph Proudhon (1809–1865): Idea general de la revolución en el siglo XIX, tradujo del francés Plotino C. Rhodakanaty. Mexico: Biblioteca Socialista 1877, 382 S. Spanisch: Allgemeine Vorstellung der Revolution im 19. Jahrhundert, übersetzt aus dem Französischen von Plotino C. Rhodakanaty.
  2. Parley Parker Pratt (1807–1857): Voz de amonestación é instrucción al pueblo, o sea Introducción á la fé y doctrina de la Iglesia de Jesucristo de los Santos de los últimos dias. Por Parley P. Pratt. Primera edición española. Traducido por los Elders, Trejo, Stewart y Rhodakanáty. México: lmprenta del »Socialista« 1880, VIII, 128 S. Übersetzer: Melitón Trejo (1843–1917), James Z(ebulon) Stewart (1844–1931) und Plotino Constantino Rhodakanaty. Spanisch: Stimme der Warnung und Belehrung für das Volk, oder Einführung in den Glauben und die Lehre der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage. Erste spanische Ausgabe. Übersetzt von den Ältesten, Trejo, Stewart und Rhodakanaty. Original: A Voice of Warning, Or, an introduction to the faith and doctrine of The Church of Jesus Christ of Latter-Day Saints. New York City 1837.
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