01.01.01. Pierre Dupont (1821–1870): Lied der französischen Arbeiter, übersetzt von Alfred Meißner

Lied der französischen Arbeiter
von Pierre Dupont,
übersetzt von Alfred Meißner

1.
Kaum kräht der Hahn das erste Mal
So brennt schon uns’re Lampe wieder,
Und neu beginnt die alte Qual
Und dröhnend fällt der Hammer nieder.
Für ewig ungewissen Lohn
Müh’n wir uns rastlos ab auf Erden,
Die Noth vielleicht kömmt morgen schon:
Wie soll es erst im Alter werden? …
Liebt Euch einander treu und heiß
Und lasset – ob die Schwerter blinken,
Ob uns des Friedens Palmen winken –
Im Kreis, im Kreis
Uns auf die Welterlösung trinken!

2.
Mit hartem Grund und falscher Fluth
Ist unser Loos ein ew’ges Ringen,
Und was darin an Schätzen ruht,
Wir sind es, die’s zu Tage bringen.
Wir schaffen Erz und Diamant,
Wir sä’n für Jene, die genießen, –
Wir armen Lämmer: welch’ Gewand
Schafft sich die Welt aus unsern Vließen!
Liebt Euch einander u. s. w.

3.
Kommt uns das harte Werk zu gut,
Dem unsre Hände rastlos dienen?
Wohin geht unsres Schweißes Fluth?
Wir sind nichts Andres als Maschinen!
<Seite 2>
Wir bau’n den Reichen ihre Stadt,
Die Pracht auf diesem Wandelsterne:
Wenn sie den Honig fertig hat,
Jagt man die Biene in die Ferne.
Liebt Euch einander u. s. w.

4.
Es trinkt das fremde blasse Kind
Die reine Milch von unsern Frauen,
Und wenn sie groß geworden sind,
Sind sie zu stolz, uns anzuschauen.
Das Herrenrecht der alten Welt
Erschreckt nicht mehr des Dorfes Bräute:
Allein dem Gold des Mäklers fällt
Noch jeder Hütte Kind zur Beute.
Liebt Euch einander u. s. w.

5.
Wir müssen, frierend unterm Dach,
Wo Käuzchen wimmern, Diebe kauern,
Im engen finsteren Gemach
Des Lebens lange Nacht vertrauern.
Und doch ist heiß auch unser Blut,
Uns labten eben, wie die Reichen,
Der Sonne segensreiche Gluth,
Die kühlen Schatten unter Eichen.
Liebt Euch einander u. s. w.

6.
So oft in schöner Raserei
Wir blutig noch das Feld gedünget,
Hat sich die alte Tyrannei
Durch unsern Opfertod verjünget.
Spart Euer Blut, spart Eure Kraft,
Die Liebe muß das Höchste bringen,
Der Hauch, der neue Welten schafft,
Wird bald die ganze Welt durchdringen!
Liebt Euch einander treu und heiß
Und lasset – ob die Schwerter blinken,
Ob uns des Friedens Palmen winken –
Im Kreis, im Kreis
Uns auf die Welterlösung trinken!1