»Anarchistisch-communistische Bibliothek« (1887–1893) versus »Internationale Bibliothek« (1887–1891)

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In Österreich hatten die radicale wie auch die anarchistische Arbeiterbewegung kaum Chancen, jenseits ihrer Presse mit Druckwerken Weltanschauliches einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Die finanziellen Mitteln reichten meist nicht einmal aus, ihre Zeitungen am Leben zu erhalten, und sie langten erst recht nicht für die Verlegung von Büchern und Broschüren. Dies hing auch mit der exzessiv betriebenen Konfiskationspraxis der Behörden zusammen. Es war schwierig, Druckereien zu finden, deren Besitzer sich auf ein derartiges finanzielles wie juristisches Abenteuer einließen. Vor allem aber verschlangen die Beschlagnahmungen die ohnedies mageren finanziellen Mittel. Verfiel eine Zeitungsnummer der Konfiskation, so musste sie teilweise, bisweilen vollständig neu gedruckt werden. Die sich durchsetzende Praxis, zunächst nur die Exemplare für die Presspolizei zu drucken, war auch nicht immer von Erfolg gekrönt, denn vielfach erfolgten Beschlagnahmung und Verbot erst nach dem Druck der Gesamtauflage. Ein noch größeres Risiko hätte der Druck von Broschüren oder gar Büchern bedeutet, denn die Papierkosten hätten den finanziellen Aufwand enorm in die Höhe getrieben, und die Wahrscheinlichkeit der Konfiskation lag, wie sich belegen lässt, bei fast hundert Prozent. Von daher war es enorm wichtig, Broschüren für die Verbreitung der eigenen Weltanschauung aus dem Ausland zu beziehen.

Vor allem zwei Broschürenreihen sind hier zu nennen. Für den Anarchismus in Österreich bedeutend war zweifelsohne die vom Maler- und Anstreichergehilfen Josef Peukert (1855–1910) initiierte, in London (England) erschienene »Anarchistisch-communistische Bibliothek«, die 1887 bis 1893 erschien, welche wesentlich die Position eines kommunistischen Anarchismus vertrat. Gleichsam in Konkurrenz dazu stand die in New York City (New York, USA) veröffentlichte »Internationale Bibliothek« des Buchbindergesellen Johann Most (1846–1906), die von 1887 bis 1891 erschien, zunächst rein sozialrevolutionär ausgerichtet, dann jedoch durch einen kommunistischen Anarchismus mit sozialrevolutionären Anklängen geprägt.1 Diese beiden Schriftenreihen zählten in den beiden letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts zu den am meisten verbreiteten anarchistischen Druckwerken im deutschen Sprachraum und natürlich – wie auch die unzähligen Beschlagnahmungen belegen – in Österreich.

 

Autor: Reinhard Müller
Version: Mai 2025
Anarchistische Bibliothek | Archiv | Institut für Anarchismusforschung | Wien
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Daten
von
1887
bis
1893
  • 1

    Hingewiesen sei auf die von Johann Most (1846–1906) in New York City (New York, USA) herausgegebene Schriftenreihe »Revolutionære Volksschriften«, dren zwei Hefte 1883 (mit Neuauflagen bis 1886) erschienen. Diese war die erste sozialistische Schriftenreihe, deren Hefte in der radicalen Arbeiterbewegung in Österreich rezipiert wurden.