Anton Losert (1861–)
Persönliche Daten
Familienverhältnisse
Vater: Anton Losert (Odrau, Österreichisch-Schlesien [Odry, Tschechien] um 1824 – ?), Sohn einer Hausfrau und eines Gerbermeisters: Rotgerbermeister; Heirat in Odrau (Österreichisch-Schlesien [Odry, Tschechien]) am 6. November 1849 mit:
Mutter: Theresia Losert, geborene Hausner (Odrau, Österreichisch-Schlesien [Odry, Tschechien] um 1820 – ?), Tochter einer Hausfrau und eines Fleischhauermeisters: Hausfrau
Schwester: Anna Losert (Odrau, Österreichisch-Schlesien [Odry, Tschechien] 20. Juli 1850 – ?)
Schwester: Theresia Hedwig Losert (Odrau, Österreichisch-Schlesien [Odry, Tschechien] 18. Jänner 1852 – ?)
Schwester: Maximiliana Losert (Odrau, Österreichisch-Schlesien [Odry, Tschechien] 10. Oktober 1853 – ?)
Schwester: Franziska Losert (Odrau, Österreichisch-Schlesien [Odry, Tschechien] 26. Oktober 1855 – ?)
Schwester: Maria Ludmilla Losert (Odrau, Österreichisch-Schlesien [Odry, Tschechien]30. August 1867 – ?)
Bruder: Franz Josef Losert (Odrau, Österreichisch-Schlesien [Odry, Tschechien] 11. August 1859 – Odrau, Österreichisch-Schlesien [Odry, Tschechien] 6. März 1860)
Ehe: in Bilje (Görz [zur Občina Miren-Kostanjevica, Slowenien]) am 16. September 1906 mit Aloysia Motitschka; d. i. Louise Sofia Motitschka (Schwarzau am Steinfeld, Niederösterreich 7. April 1868 – Pitten, Niederösterreich 2. Juli 1957), Tochter einer Hausfrau und eines gräflichen Gärtners: Hausfrau
Sohn: Gottwald Motitschka
Tochter: Christine Motitschka
Biographie
Anton Losert war nach seiner Ausbildung zum Landwirtschaftslehrer zunächst bis 1887 Gartenbaulehrer an der k. k. Landes-Ackerbauschule in Linz an der Donau (Oberösterreich) und seit 1888 Leiter der Landwirtschaftlichen Winterschule in Reichenberg (Böhmen [Liberec, Tschechien]).
1889 übersiedelte Anton Losert nach Salzburg (Salzburg). Hier war er seit dem 16. Jänner 1889 landschaftlicher Landwirtschafts-Wanderlehrer an der k. k. Landwirtschaftlichen Schule in Salzburg und Sekretär der »k. k. privilegierten Landwirtschafts-Gesellschaft in Salzburg«. Er schloss sich nun der »Sozialdemokratischen Arbeiterpartei« an, wandte sich aber nach kaum einem Jahr dem Flügel der anarchistischen Unabhängigen Socialisten um den Tischlergehilfen Franz Egger (1859–1935) zu. Losert arbeitete auch an der von Egger vom Jänner bis Februar 1894 herausgegebenen Monats- beziehungsweise Halbmonatsschrift »Allgemeine Zeitung« (Salzburg – Maxglan / Maxglan bei Salzburg) mit, neben der Zeitung »Die Zukunft« (Wien) das wichtigste Organ der Unabhängigen Socialisten. Losert war auch dem »Politischen Verein ›Zukunft‹« beigetreten, in dem sich Sozialdemokraten und Unabhängige Socialisten heftig bekämpften. Letztere bildeten offensichtlich eine eindeutige Majorität im Verein und bestimmten Losert, der die grundsätzliche Abschaffung allen Eigentums forderte, als Delegierten zum Internationalen Sozialistischen Arbeiterkongress, der vom 6. bis 12. August 1893 in Zürich / Zurich / Zurigo (Kanton Zürich, Schweiz) stattfand. Der Konflikt zwischen Sozialdemokraten und Unabhängigen Socialisten endete damit, dass die »Sozialdemokratische Arbeiterpartei« die »Allgemeine Zeitung« mit 1. Juli 1893 nicht mehr als Parteiorgan anerkannte. Losert trat nun aus der »Sozialdemokratischen Arbeiterpartei« aus.
Anton Losert hatte längst auch berufliche Probleme. Auf Betreiben des Erzbischofs von Salzburg Johannes Evangelist Haller (1825–1900) wurde er vom zuständigen Salzburger Landesausschuss aufgefordert, aus dem »Politischen Verein ›Zukunft‹« auszutreten. Losert sagte zwar seinen Austritt zu, wurde aber dennoch, obwohl vertraglich für fünf Jahre angestellt, am 15. November 1892 vorzeitig gekündigt. Losert klagte daraufhin das Herzogtum Salzburg, zunächst beim Bezirksgericht, welches ihn aber an den Verwaltungsgerichtshof verwies, der sich ebenfalls als nicht zuständig erklärte und ihn an das Reichsgericht verwies. Im Prozess, der am 26. Oktober 1894 vor dem Reichsgericht in Wien stattfand, wurde festgestellt, dass auch dieses Gericht nicht zuständig sei, weil der Anspruch des Klägers auf Verdienstentgang nicht von öffentlich-rechtlichem Charakter sei. Und Losert wurde wieder an die ordentlichen Gerichte verwiesen.
Anton Losert trennte sich im Sommer 1893 von seinem alten Mitkämpfer Franz Egger, hatte aber offensichtlich in dem mittlerweile von den Unabhängigen Socialisten übernommenen »Politischen Verein ›Zukunft‹« noch immer eine starke Anhängerschaft. Dieser nahm beispielsweise Loserts »Petition behufs Revision der Eigentumsordnung« am 9. Oktober 1893 mit Stimmenmehrheit an. Am 20. Februar 1894 fand vor dem Landesgericht Salzburg der Prozess gegen Anton Losert wegen Verbrechens der Majestätsbeleidigung statt, begangen in einer Rede bei einer Versammlung des »Politischen Vereins ›Zukunft ‹« am 25. Juni 1893, doch wurde er freigesprochen.
Anton Losert schlug sich nunmehr als Zeitungsherausgeber und Journalist durchs Leben. Die Tradition anarchistischer Einzelkämpfer in Österreich wie etwa Franz Prisching (1864–1919) vorwegnehmend,1 sah er sich »einsam und allein, ein stummer Wegzeiger in der weiten Wüste.«2 Losert wurde nun Herausgeber und verantwortlicher Redakteur von »A. Losert’s Blätter für Sozialreform« (Salzburg, ab Nummer 26: Aigen bei Salzburg), welche seit Nummer 26 (62. 1896 [d. i. 20. Februar 1896])3 den Untertitel »Organ der Christenbewegung« trug. Die Zeitung erschien vom August 1893 bis 28. August 1896, vier Jahrgänge mit zweiunddreißig Nummern. Eigentlich wollte Losert seine Zeitschrift mit der Nummer 24 vom 226. 1895 (d. i. 3. August 1895) einstellen, ließ sie dann aber am 62. 1896 (d. i. 20. Februar 1896) wieder erscheinen. Schließlich wurde die Nummer 31 mit Erkenntnis des Landes- als Pressgericht Salzburg vom 21. Juli 1896 beschlagnahmt, weil ein Artikel gegen einzelne Stände der bürgerlichen Gesellschaft aufreize.
Anton Losert kündigte im Jänner 1894 die Gründung eines »Vereins für Sozialreform« an, der nunmehr die Festsetzung eines staatlich garantierten Existenzminimums forderte. Sich von anarchistischen Grundpositionen entfernend, vertrat er seit Anfang 1895 in seiner Zeitung zunehmend ein an der Bibel orientiertes, antikirchliches Christentum, um schließlich bei einem radikalen Ur-Christentum zu landen. Loserts neuer Leitstern wurde zunächst der Maler und Vorkämpfer der Ernährungs- und Kleiderreform, Freikörperkultur und Naturheilkunde Karl Wilhelm Diefenbach (1851–1913), dessen Landkommune Himmelhof in Ober St.-Veit, Wien 13, er 1898 besuchte und gegen den er danach rebellierte. Die Wirkung der Zeitung »A. Losert’s Blätter für Sozialreform« blieb wohl – trotz einiger Abonnenten im Deutschen Reich – im Wesentlichen auf Salzburg beschränkt.
Anton Losert übersiedelte 1896 mit seiner langjährigen Lebensgefährtin Louise Sofia Motitschka (1868–1957), mit der er zwei Kinder hatte, nach Aigen [zu Salzburg] (Salzburg). Hier wurde er am 13. April 1896 von der Gemeindevorstehung wegen Konkubinats zu 5 Gulden Geldstrafe verurteilt.
1898 zog Anton Losert mit seiner Familie nach Sankt Peter bei Görz (Küstenlande [Šempeter pri Gorici, zu Šempeter-Vrtojba, Slowenien]), wo er 1906 seine Lebensgefährtin Louise Sofia Motitschka heiratete und wo er mindestens bis 1910 lebte. Am 25. Juli 1910 erlangte seine Ehefrau gerichtlich das Sorgerecht für ihre beiden Kinder, da Losert seinen Unterhaltpflichten gänzlich vernachlässigt habe. Nunmehr rückten andere Personen verstärkt in Loserts Blickfeld, vor allem der »Prediger des reinen Menschentums«, der damals in Stuttgart (Württemberg [Baden-Württemberg]) lebende ehemalige Offizier, Naturphilosoph und Publizist Johannes Guttzeit (1853–1935), und der Obmann des »Erudistischen Bundes« Peter Christoph Martens (1848–192?) in Hamburg (Freie und Hansestadt Hamburg).
Der in seiner Eigenartigkeit interessante Anton Losert blieb für österreichische wie internationale anarchistische Bewegungen bedeutungslos. Allerdings nahm er noch 1910 mit seinem »lieben Freund«, dem anarchistischen Publizisten und Zeitungsherausgeber Rudolf Großmann alias Pierre Ramus (1882–1942) Kontakt auf. Er schlug Ramus vor, nach Sankt Peter bei Görz zu übersiedeln, seine anarchistische Zeitung »Wohlstand für Alle« (Wien) mit alternativen Organen zusammenzulegen und der städtischen Zivilisation zu entfliehen.4 Ramus folgte dieser Aufforderung nicht. Nach dem September 1910 verlieren sich die Spuren von Anton Losert.
Publikationen
Bücher und Broschüren
Versuch eines vernunftgemäßen Lehrganges für Landwirtschaftsschulen nebst Winken für deren zweckmäßige Einrichtung. Von Anton Losert, Landwirtschaftslehrer. Friedland i. B.: Verlag von Julius Helbig 1889, 35 S.
Grundherr oder Bauer? Allgemeinfaßliche Betrachtung über die Ursachen der socialen Noth. Von Losert, Landwirtschaftslehrer. Salzburg: Hermann Kerber 1890, 23 S.
Zur Frage der Lebensmittel-Vertheuerung. Von Anton Losert. Herausgegeben vom politischen Verein »Zukunft« in Salzburg. Salzburg: Oellacher & Co. [1892], 11 S.
Warum ich entlassen werde. Ein Wort der Rechtfertigung. Von Anton Losert, landschaftlicher Landwirthschaftswanderlehrer und Secretär der k. k. Landwirthschaftsgesellschaft in Salzburg. Salzburg: Im Selbstverlag (A. Losert) 1892, 2 S.
Was wollen wir Sozialisten in Österreich? Zehn Fragen zur Förderung unserer Bestrebungen. Von Anton Losert. Salzburg: Druck und Verlag von Robert Pfleumer 1893, 6 S.
[Brief über das Eigentumsrecht. Von Anton Losert]. Salzburg: Druck und Verlag von Robert Pfleumer 1893, Flugblatt.
[Petition um gesetzliche Aufhebung der Eigentumsordnung. Von Anton Losert]. Salzburg: Druck und Verlag von Robert Pfleumer 1894, 3 S.
Der Meister des Nichtsthuns und Dochlebens. Ein Wort zur positiven Behauptung des Christentums. [Gezeichnet] A. Losert. Wien: Im Selbstverlag (A. Losert) [1898], 12 S. Betrifft Karl Wilhelm Diefenbach (1851–1913).
b) Der Meister des Nichtsthuns und Dochlebens. Ein Wort zur positiven Behauptung des Christentums. 2. Auflage. [Gezeichnet] A. Losert. Wien: Jacobi & Sohn [1898], 16 S. Erweitert um den Artikel von A[nton] Losert: Der »Meister« und seine »Jünger«, S. 12–16, und einem Aphorismus von K[arl] W[ilhelm] Diefenbach, S. 16.
Mitarbeiter*innen an Periodika
Allgemeine Zeitung (Salzburg – Maxglan / Maxglan bei Salzburg) 1893
A. Losert’s Blätter für Sozialreform (Salzburg / Aigen bei Salzburg) 1893 bis 1896
Wohlstand für Alle (Wien) 1910
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Autor: Reinhard Müller
Version: November 2024
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Eine weitere Parallele zu Franz Prisching (1864–1919) ist Loserts Befürwortung der Askese und alternativer Lebensformen: »Entsagen ist die wichtigste Kunst all’ derer, die Großes in ihrem Leben erreichen wollen. […] Wir kennen nächst dem Ziel, das wir uns stecken, kein schöneres als das, die Menschheit aus der Schmach des Kannibalismus, die ihm in der Form des Tierfleischgenusses noch immer an den Fersen haftet, zu einer reinern, sittlicheren Daseinsführung emporzuheben.« [Anton Losert]: Litterarisches, in: A. Losert’s Blätter für Sozialreform (Salzburg), 1. Jg., Nr. 9 (April 1894), S. 7–8, hier S. 8.
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[Anton Losert]: [Vorbemerkung zu Theodor Hertzka (1845–1924)]: Goldkörnchen aus einem freiländischen Reformprospekt, in: A. Losert’s Blätter für Sozialreform (Salzburg), 1. Jg., Nr. 10 (Mai 1894), S. 2. Im Gegensatz dazu berichtet Losert, dass er bis April 1893 durchaus Verbündete hatte, vor allem in »der vordem unseren Bestrebungen offen gewesenen, später ins anarchistische Lager abgeschwenkten Maxglaner ›Allgemeinen Zeitung‹«; [Anton Losert]: Kleine Notizen, in: ebenda, 1. Jg., Nr. 8 (März 1894), S. 8.
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Zu dem seit Mai 1895 verwendeten eigenen Kalender Loserts vgl. [Anton Losert]: Vorbemerkung, den Organismus meiner Blätter betreffend, in: A. Losert’s Blätter für Sozialreform (Salzburg), [2.] Jg., Nr. 23 (184. 1895 [d. i. 22. Juni 1895]), S. 1–2, hier S. 1.
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Vgl. A[nton] Losert: Brief an [Rudolf Großmann alias Pierre Ramus] in [Klosterneuburg]. Sankt Peter bei Görz [Šempeter pri Gorici], am 3. September 1910, im Nachlass Pierre Ramus, Mappe 141, im Internationaal Instituut voor Sociale Geschiedenis, Amsterdam. Vgl. auch Anton Losert: Meine Forderung: Brot umsonst, in: Wohlstand für Alle (Wien), 3. Jg., Nr. 16 (31. August 1910), S. [4].