Johann Dürschner (1856–1886)
Persönliche Daten
Biographie
Der Bronzearbeitergehilfe Johann Dürschner, Sohn einer Hausfrau und eines aus Bayern gebürtigen Gürtlergesellen und späteren Bronzearbeiters, schloss sich 1873 einer aus sieben Personen bestehenden Einbrecherbande an. Er wurde zu fünfzehn Monaten schweren Kerker verurteilt, die er in der Strafanstalt Suben (Oberösterreich) absaß. Hier soll er auch den Gärtner Josef Pongratz (~1852–?) kennen gelernt haben.
Am 10. Jänner 1884 wurde die Eisert’sche Wechselstube in Wien 6., Mariahilfer Straße 55, von zwei oder drei Männern überfallen.1 Dabei wurden der Besitzer Heinrich Eisert sen. (~1838–1884) sowie dessen Kinder Heinrich Eisert jun. (~1873–1884) und Rudolf Eisert (~1875–1884) ermordet, die anwesende Französischlehrerin der Kinder, Karoline Berger (~1819–?), schwer verletzt.Zunächst vermutete die Polizei keinen politischen, sondern einen rein kriminellen Hintergrund für den Raubmord. Am 11. Jänner 1884 wurde unter dem Verdacht der Mittäterschaft am Überfall der Gärtner und nunmehr arbeitslose Fensterputzer Josef Pongratz in Wien 6., Mariahilfer Straße 8, verhaftet, ins Polizeikommissariat Mariahilf, Wien 6., gebracht und am 12. Jänner 1884 früh morgens in das Polizeigefangenenhaus in der Theobaldgasse, Wien 6., überstellt.
Am Nachmittag des 12. Jänner 1884 kam der Bronzearbeitergehilfe Johann Dürschner auf das Polizeikommissariat Mariahilf, Wien 6. Dürschner, der wegen Diebstahls bereits eine fünfzehnmonatige Haftstrafe abgesessen hatte, stand seit einiger Zeit auch als Spitzel im Sold der Polizei. Als er sich nun im Zuge seiner Konfidententätigkeit wieder bei der Polizei einfand, wurde er wegen seiner mittlerweile bekanntgewordenen Freundschaft mit dem bereits inhaftierten Josef Pongratz zum Überfall auf die Eisert’sche Wechselstube befragt, verwickelt sich in Widersprüche, wurde schließlich inhaftiert und in das Polizeigefangenenhaus in der Theobaldgasse, Wien 6., überstellt. Am 21. Jänner 1884 wurde er gemeinsam mit Josef Pongratz ins Landesgericht Wien eingeliefert. Beide wurden von Zeugen agnosziert oder zumindest als den Tätern ähnlich sehend bezeichnet, etwa von Heinrich Eisert jun., der im Spital vor seinem Tod noch verhört werden konnte und dem die beiden Verhafteten vorgeführt wurden. Johann Dürschner wurde erst Mitte März 1884 von der Beteiligung am Überfall auf die Eisert’sche Wechselstube entlastet.
Später wurden wegen des Überfalls auf die Eisert’sche Wechselstube der Buchbindergehilfe Anton Kammerer (1862–1884), der die Tat angeblich gestanden haben soll, und der Schuhmachergeselle Hermann Stellmacher (1853–1884), der seine Tatbeteiligung nicht bekannte, zum Tod verurteilt und hingerichtet.
Allerdings wurde Johann Dürschner wegen eines mittlerweile nachgewiesenen Raubes weiter in Haft behalten. Schon am 12. Jänner 1884 wurde im Zuge des Verhörs von Josef Pongratz wegen des Überfalls auf die Eisert’sche Wechselstube dieser als Beteiligter am Überfall auf den Privatier Samuel Kohn in Wien 6., Rahlgasse 6, am 18. Dezember 1883 vom Überfallenen eindeutig agnosziert. Später wurde auch Dürschner der Beteiligung an diesem Überfall verdächtigt. Am 23. und 24. Mai 1884 fand vor dem Ausnahmsgerichtshof Wien der Prozess gegen Josef Pongratz und Johann Dürschner statt. Pongratz wurde des Verbrechens des Raubes, des teils versuchten, teils vollbrachten Diebstahls, wegen Übertretung des Betrugs, der leichten Körperverletzung, der Falschmeldung und der Reversion angeklagt, Dürschner der Mitschuld am Diebstahl beim Überfall auf Samuel Kohn. Dürschner wurde freigesprochen, Pongratz wegen Diebstahls und einiger ihm angelasteten Übertretungen zu sechs Jahren schweren Kerker und anschließendem Landesverweis verurteilt.
Bereits am 16. September 1884 stand Johann Dürschner zusammen mit drei Komplizen wieder vor Gericht, diesmal wegen Taschendiebstahl. Der Erkenntnissenat des Gerichtshofes Wien verurteilte Dürschner zu einem Jahr schweren Kerker. Außerdem wurde über ihn nach der Haftentlassung die Polizeiaufsicht verhängt. Bald nach seiner Haftentlassung verstarb Johann Dürschner am 7. März 1886 an Gehirnhauttuberkulose.
Adressen
- Wien 6., Annagasse 135 [Mollardgasse] (Geburtsadresse)
- Wien 6., Mittelgasse 19 (1884)
- Wien 1., Landesgerichtsstraße 21 (Sterbeadresse)
Kategorien
Autor / Version / Copyleft
Autor: Reinhard Müller
Version: Mai 2024
Anarchistische Bibliothek | Archiv | Institut für Anarchismusforschung | Wien
Copyleft