Roman Piechowski (1863–)
Persönliche Daten
Familienverhältnisse
Bruder: Marian Piechowski (Rokitno, Königreich Polen (de facto Russland) [Rokitno (województwo mazowieckie), zur gmina Błonie, Polen] 1860 – 1889): Bronzeschmied und Ziseleur; Radicaler und Sozialrevolutionär
Biographie
Roman Piechowski absolvierte eine Lehre als Bronzegießer und arbeitete seit 1879 als Ziseleur in Warschau ‹Warszawa / Варшава› (Königreich Polen (de facto Russland) [Warschau ‹Warszawa›, Polen]). Wegen sozialistischer Umtriebe zu einem Jahr verurteilt, schloss er sich gemeinsam mit seinem Bruder, dem Bronzeschmiedlehrling und Ziseleur Marian Piechowski (1860–1889), als Anhänger der radicalen Arbeiterbewegung der sozialrevolutionären Partei »Proletar« (Der Proletarier) an.
Roman Piechowski begab sich im Dezember 1883 nach Krakau (Galizien und Lodomerien [Kraków, Polen]). Am 22. April 1884, um 13 Uhr 30, versuchte der Bronzeschmiedgehilfe Bolesław Malankiewicz (~1867–?) eine mit Schießpulver und Schwefel gefüllte, acht Kilo schwere Bombe in das Fenster eines Parterrezimmers des Polizeigebäudes von Krakau zu schleudern, nach Ansicht der Polizei, um den dort vermuteten, bei der Verhaftung von Sozialisten besonders aktiven Polizeikommissar Johann Kostrzewski (~1850–?) – damals schon ein Geheimagent des russischen Zaren – und den Polizeikonzipisten Ladislaus Swolkień (1851–1913) zu töten. Die Bombe zerplatzte, ehe er sie werfen konnte. Bolesław Malankiewicz, der auch einen Revolver bei sich hatte, brach unter dem beschädigten Fenster des Polizeigebäudes zusammen und wurde in bewusstlosem Zustand in das Spital, aber schon bald darauf ins Gefängnis eingeliefert. Schon am 3. Mai 1884 wurde Roman Piechowski von der Polizeidirektion Krakau als ein Haupttäter dieses Bombenaschlags gesucht, wobei seine Identität zunächst unklar war: »1823 Bedenklichkeit. Im April l. J. hat sich h. a. ein Mann unter dem Namen Ladislaus Dedrzyński, Ciseleur u. aus Piaseczno, Bez. Warschau in Polen geb., 21 J. alt, gemeldet u. sich sofort nach Entgegennahme der h. ä. Vorladung behufs Ausweisleistung von hier schleunigst unbekannt wohin entfernt, u. ze. unter Rücklassung seiner beim Gelbgießer Kopaczyński hinterlegten Zeugnisse. Laut diese Zeugnisse arbeitete derselbe seit 16. April 1881 bis zum 2. Oktober 1882 unter dem Namen Roman Brockowski bei Leitner in Kaschau, vom 24. Oktober 1882 bis zum 26. Jänner 1883 unter demselben Namen in der Bronzewaarenfabrik des Kutasy in Budapest, vom 2. Mai 1883 bis zum 23. Juli 1883 in der Lampen- u. Metallwaarenfabrik des Anton Testory in Budapest u. seither bis zum 10. Dezember v. J. unter dem Namen Roman Brokowski, geb. aus Bielitz in Schlesien, beim Anton Pfeiffer in Graz. Derselbe nannte sich auch Mulakiewicz, ist 21 J. alt, mittelgr., hat dunkle H., längl., blasses, bartloses Ges., ist bekl. mit altem, br. Oberrocke, br. gestreifter Hose, ähnlichem Rocke u. niedrigem, schw., steifen Hute mit schmalem Rande u. ist rühriges Mitglied der sozial-revolutionären Partei. Um dessen eindringliche Ausforschung und schleunigste Mittheilung eines positiven Resultates wird ersucht. Pol.-Dion. Krakau 3/5. 84.«1Erst am 27. Mai 1884 konte Roman Piechowskis Identität geklärt werden: »2160 Nachtrag. Der angebliche Dedrzynski Ladislaus – Bl. Nr. 33, Art. 1823 v. J. 1884 – ist mit dem Ciseleur Roman Piechowski aus Warschau ident u. erscheint dringens verd., an dem am 22. April l. J. durch Boleeslaw Malankiewicz gegen die hiesige Polizei-Direktion begangenen Attentate theilgenommen zu haben, ist eindringlichst auszuforschen u. zu verhaften. Er hat einige Warzen am Gesichte u. dürfte im Besitze eines Arbeitsbuches, lautend auf den Namen Ladislaus Dedrzynski, Ciseleur, aus Piaseczna, Gouvernement Warschau in Russisch-Polen, 22. J. alt, sein, welchen Ausweis er sich angeeignet hat. Pol.-Dion. Krakau 27/5. 84.«2
Mittlerweile leitete das Landesgericht Krakau am 5. Juli 1884 die strafrechtliche Verfolgung von Roman Piechowski, der noch Anfang April 1884 aus Krakau geflüchtet war, ein: »2786 Nachtrag. Piechowski Roman, – Bl. Nr. 33, Art. 1823 u. Bl. Nr. 39, Art. 2169 v. J. 1884 – auch Roman Broczkowski, Brokowski, Borkowski, Ladislaus Dedrzyński u. Thaddäus Brochowski sich nennend, hat bld. H. n´und br. Augen, ist der Mitschuld an dem Versuche des Verbr. des Meuchelmordes u. der Mitschuld an dem, durch den Boleslaw Malankiewicz am 22. April l. J. in dem Polizeigebäude zu Krakau verübten Verbr. der boshaften Beschädigung fremden Eigenthums rechtlich beschuldigt, im Betretungsfalle anher einzuliefern. Land.-Ger. Krakau 5/7. 84.«3
Im Juli 1884 wurde Roman Piechowski in Prag (Böhmen [Praha, Tschechien]) verhaftet und in das Landesgericht Krakau eingeliefert. Am 12. November 1884 begann vor dem Schwurgericht Krakau in geheimer Verhandlung der auch in Österreich Aufsehen erregende Prozess anlässlich des Anschlags auf das Polizeigebäude in Krakau gegen den Hauptangeklagten Bolesław Malankiewicz, der des versuchten Meuchelmords beschuldigt wurde. Fünf Mitangeklagte, der Buchbindergehilfe Ludwig Grudziński (1861–1905), der Eisendreherlehrling Adam Królikowski (1865–1899), der Gymnasiast Johann Pająk (1863–1915), Roman Piechowski und der Steinmetzgehilfe Franz Sułczewski (1863–1930), wurden beschuldigt, den Hauptangeklagten durch Befehl, Rat und Belehrung zu dem Verbrechen angeeifert und die Ausführung desselben durch Beschaffung der Mittel und Beseitigung von Hindernissen wesentlich gefördert zu haben. Außerdem wurden Johann Pająk und der Medizinstudent Ludwig Dąbrowski (1862–1933) auch eines Anfang September 1884 beabsichtigten Attentats auf den Polizeikommissar Johann Kostrzewski und den Polizeikonzipisten Ladislaus Swolkień beschuldigt. Alle Angeklagten waren großteils geständig. Roman Piechowski hatte die Bombe gebaut, Franz Sułczewski das Papier zum Verpacken der Bombe geliefert. Am 17. November 1884 wurden die Urteile gefällt. Bolesław Malankiewicz wurde wegen Verbrechens des versuchten Meuchelmords und Störung der öffentlichen Ruhe und Ordnung zu fünf Jahren, Roman Piechowski als intellektueller Urheber wegen Mitschuld an diesen Verbrechen zu neun Jahren, Franz Sułczewski wegen Mitschuld zu drei Jahren schwerem Kerker verurteilt. Johann Pająk wurde zwar vom Verbrechen der Mitschuld am versuchten Meuchelmord freigesprochen, aber wegen Störung der öffentlichen Ruhe und Ordnung zu einem Jahr schwerem Kerker verurteilt. Ludwig Dąbrowski, Ludwig Grudziński und Adam Królikowski wurden freigesprochen.
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Autor: Reinhard Müller
Version: März 2025
Anarchistische Bibliothek | Archiv | Institut für Anarchismusforschung | Wien
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[Anonym]: 1823 Bedenklichkeit, in: Central-Polizei-Blatt. Herausgegeben von der k. k. Polizei-Direktion zu Wien (Wien), Nr. 33 (16. Mai 1884), S. 130.
- 2
[Anonym]: 2160 Nachtrag. Der angebliche Dedrzynski Ladislaus, in: Central-Polizei-Blatt. Herausgegeben von der k. k. Polizei-Direktion zu Wien (Wien), Nr. 39 (8. Juni 1884), S. 154.
- 3
[Anonym]: 2786 Nachtrag. Piechowski Roman, in: Central-Polizei-Blatt. Herausgegeben von der k. k. Polizei-Direktion zu Wien (Wien), Nr. 49 (24. Juli 1884), S. 194.