Wenzel Netušil (1844–1914)
Persönliche Daten
Familienverhältnisse
Vater: Josef Netušil: Häusler; Heirat in Wien am 16. Oktober 1876 mit:
Mutter: Anna Netušil, geborene Kloboučnik: Häuslerin
Ehe: mit Hermine Filipsky (Mährisch Budweis, Mähren [Moravské Budějovice, Tschechien] 9. Jänner 1858 – Wien 7. Jänner 1926), uneheliche Tochter der Franziska Filipsky: Hebamme
Sohn: Franz Andreas Wenzel Netušil (Wien 25. September 1877 – Wien 28. Dezember 1955): Gipsformer
Sohn: Carl (der Große) Wenzel Netušil (Wien 17. März 1882 – Wien 24. Februar 1951)
Tochter: Bertha Rosa Netušil, seit 14. November 1912 verheiratete Koppmann (Wien 30. Oktober 1884 – Wien 20. August 1969): Privatbeamte
Tochter: Hermine Karoline Netušil (Wien 17. Jänner 1887 – Wien Juli 1972)
Tochter: Anna Netušil, seit 24. August 1913 verheiratete Schulz (Wien 17. Juni 1889 – Wien 2. Jänner 1948): Buchhalterin
Sohn: Rudolf Netušil (Wien 25. Februar 1895 – Wien 28. Februar 1895): an Lebensschwäche verstorben
Biographie
Der Tischlermeister Wenzel Netušil, der in Wien 5, Kettenbrückengasse 1, eine Werkstatt für feine Möbel mit sechzehn Tischlergesellen betrieb, war am Rande in die radicale Arbeiterbewegung in Wien involviert. Am 25. September 1880 trafen in Wien aus London (England) zwei Sendungen Bambusrohre ein. Wie bei Sendungen aus dem Ausland üblich, wurden die Sendungen der Zollexpositur im Hauptpostamt Wien übergeben. Die eine Sendung war an den Drechslermeister Josef Steiner (~1839–?) adressiert, der sie unbeanstandet abholen konnte. Die andere, an Wenzel Netušil adressierte Sendung blieb noch einige Tage im Magazin des Hauptpostamtes liegen. Zufällig entdeckte ein Finanzaufseher, dass eines der dort lagernden Bambusrohre geplatzt war. Bei näherer Untersuchung stellte er fest, dass dieses Flugschriften enthielt. Nach Verständigung der Polizeibehörde wurden zwei Detektive zur Zollexpositur entsandt, um den Adressaten, Wenzel Netušil, bei der Abholung dieser Sendung festzunehmen. Mit diesem von der Polizei entdeckten Schmuggel von 246 Exemplaren der Zeitung »Freiheit« (London) sowie der in London gedruckten Flugschriften »An die ›unteren‹ Postbeamten! Leidensgenossen!«1 und »An das deutsche Proletariat«2 begann am 2. Oktober 1880 die zweite Verhaftungswelle gegen Radicale in Wien und den Vororten im Rahmen der so genannten Bambus-Affäre (auch Bambusrohr-Affäre). Die beiden in der Zollexpositur im Hauptpostamt Wien auf den Abholer der zweiten Bambusrohrsendung wartenden Polizeidetektive nahmen den Abholer, den Dienstmann Josef Weingartsberger (1822–1884), sofort fest. Dieser gab an, dass er vom Adressaten der Bambusrohrsendung mit der Abholung beauftragt worden sei, der nun auf die Übernahme der Bambusrohre in einem Gasthaus in Wien 6., Getreidemarkt, auf ihn warte. Beamte des sofort informierten Wiener Sicherheitsbureaus nahmen daraufhin den im besagten Gasthaus wartenden Wenzel Netušil fest. Dieser gab an, dass er vom Mechaniker Leo Walecka (1856–1914) mit der Abholung beauftragt worden sei. Am nächsten Tag wurden auch Josef Steiner und der Schlossergehilfe und nunmehrige Brotverschleißer Josef Krejci (~1850–?) verhaftet. Alle drei blieben bis 6. Dezember 1880 in Untersuchungshaft. Vom 10. bis 12. Februar 1881 (eigentlich bis zum Morgen des 13. Februar 1881) fand vor dem Landes- als Schwurgericht Wien der erste große Wiener Radicalen-Prozess statt. Angeklagt waren vierzehn Radicale, darunter auch die Festgenommenen in der so genannten Bambus-Affäre. Wenzel Netušil wurde des teils vollbrachten, teils versuchten Verbrechens des Hochverrats angeklagt, begangen durch den Schmuggel verbotener Druckschriften. Am 11. September 1881 zog der Staatsanwalt die Anklage gegen Wenzel Netušil zurück. Der Staatsanwalt akzeptierte Netušils Verteidigung: Er habe nur aus Gefälligkeit zugelassen, dass eine Sendung der Bambusrohre unter seiner Adresse expediert werde, ohne zu wissen, was die Rohre enthalten.
Wenzel Netušil hatte mit seiner Tischlerei bald wenig Erfolg. Am 29. April 1884 eröffnete das Landesgericht Wien den Konkurs über das Vermögen von Wenzel Netušil. Danach konnte er seine Tischlerei in Wien 4., Belvederegasse 13, und seit 1913 in Wien 4., Johann-Strauß-Gasse 25, bis zu seinem Tod weiterbetreiben.
Adressen
Wien 5., Rampersdorffergasse 5 (1876)
Wien 5., Siebenbrunnengasse 17 (1877–1883)
Wien 4., Belvederegasse 12 (1884)
Wien 4., Belvederegasse 17 (1887)
Wien 4., Karlsgasse 18 (1889–1895)
Wien 4., Johann-Strauß-Gasse 4 (Sterbeadresse)
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Autor: Reinhard Müller
Version: August 2024
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