Ignaz Holzreiter (1894–1979)
Persönliche Daten
Familienverhältnisse
Vater: Ignaz Kellner, mit 16. November 1858 legitimierter Holzreiter (Großnondorf, [zu Sallingberg], Niederösterreich 3. November 1855 – Tulln, Niederösterreich 22. August 1900; in der Donau ertrunken), Sohn einer Hausfrau und eines Zimmermanns: Schiffmann; Heirat in St. Nikola an der Donau (Oberösterreich) am 23. Jänner 1893 mit:
Mutter: Rosa Holzreiter, geborene Riegler (Moosbach [zu St. Nikola an der Donau], Oberösterreich 18. August 1865 – Wien [?]), Tochter einer Bäuerin und eines Bauern: Hausfrau
Bruder: Karl (der Große) Holzreiter (Dürnstein, Niederösterreich 16. Dezember 1896 – ?)
Bruder: Franz Xaver Holzreiter (Dürnstein, Niederösterreich 16. Oktober 1898 – ?)
Bruder: Stephan Holzreiter (:Dürnstein, Niederösterreich 15. November 1900 – Wien 11. Dezember 1974)
Ehe: in Wien am 24. Oktober 1921 mit Gerda Alix Jakobine Henriette Walther (28. September 1894 – Wien April 1977): Sekretärin und später Stenotypistin bei der Amtlichen Nachrichtenstelle, später auch als Schriftstellerin und Journalistin – teilweise unter dem Pseudonym »G. Holz-Reyther« – tätig
Tochter: Hildegard Maria Holzreiter, verheiratete Dolinsky (Wien 28. August 1927 – Wien Februar 2009)
Biographie
Ignaz Holzreiter, Sohn eines 1900 in der Donau ertrunkenen Schiffmannes, kam nach dem frühen Tod seines Vaters mit seiner Mutter und seinen Geschwistern nach Wien. Hier war er bereits vor dem Ersten Weltkrieg anarchistisch aktiv, lernte 1913 Karl F. Kocmata (1890–1941) und Rudolf Großmann alias Pierre Ramus (1882–1942) kennen. Holzreiter war seit seiner Gründung 1913 Mitglied des »Literarischen Vereins ›Tolstoi‹« und 1913 des »Politischen Vereins ›Freie Tribüne‹«. Er wurde im August 1915 zum Kriegsdienst eingezogen, versuchte durch Krankheitssimulation den Weg der Kriegsdienstverweigerung zu beschreiten, um seinem anarchistischen Antimilitarismus gerecht zu werden, und kam schließlich wegen Kriegsdienstverweigerung für ein halbes Jahr ins Gefängnis. Danach arbeitete er bei der »Oderfurter Mineralöl-Gesellschaft m. b. H.« in Wien. Schon für Anfang September 1916 kündigte Karl F. Kocmata seine Schrift »Schritte ins Licht. Verse. Mit dem Bild des Verfassers und einem Brief an ihn von Ignaz Holzreiter« an, die in seiner Schriftenreihe »Neue Bahnen – Schriften aus der Zeit« im »Verlag Neue Bahnen – Karl F. Kocmata« erscheinen sollte, wozu es jedoch nicht kam.
Am 5. Februar 1919 warf Ignaz Holzreiter ein Flugblatt in der Sitzung der Provisorischen Nationalversammlung von der Galerie: »Ein Aufruf an Alle zur Gründung eines internationalen Bundes zum Schutze der Menschheit vor künftigen Kriegen durch antimilitaristische Volksaufklärung (Propaganda der direkten individuellen Aktion durch Respektierung des göttlichen Vernunftgebotes: ›Du sollst nicht töten‹)«1 Er wurde deshalb vor Ort angehalten und nach seiner Legitimierung wieder entlassen. 1919 rief Ignaz Holzreiter gemeinsam mit Josef Blumaier (1893–1977) und Justine Simeth zur Gründung eines »Internationalen antimilitaristischen Bundes zum Schutze der Menschheit vor künftigen Kriegen durch antimilitaristische Volksaufklärung (Propaganda der direkten, individuellen Aktion durch Respektierung des göttlichen Vernunftgebotes: ›Du sollst nicht töten!‹)« mit Sitz in Wien auf.2
Anfang Juni 1919 gründete Ignaz Holzreiter gemeinsam mit Konrad Hofer (1884–1962) und Karl F. Kocmata die »Vereinigung individualistischer Anarchisten«, deren Organ »Der Anarchist« (Wien) er herausgab und deren Kassier er war. Die Vereinigung schloss sich bereits Ende Juli 1919 der neu gegründeten »Anarchisten-Vereinigung Revolution!« an. Holzreiter gründete 1919 den anarchistischen Verlag »Der Neue Mensch« – das Verlagssignet zeigt ein Dreieck, das ein Pendel einschließt –, in welchem er seine Werke verlegte. 1920 gehörte er dem Vorstand der »Föderation revolutionärer Anarchisten und Syndikalisten« an.
Ignaz Holzreiter heiratete 1921 in Wien die Sekretärin und spätere Stenotypistin bei der Amtlichen Nachrichtenstelle Gerda Alix Jakobine Henriette Walther (1894–1977), die später auch als Schriftstellerin und Journalistin tätig war. Holzreiter, der sich um 1924 der Sozialdemokratie näherte, studierte nun an der Universität Wien Soziologie, wo er am 1. März 1927 zum Dr. rer. pol. promoviert wurde. 1929 gründete er gemeinsam mit Robert Hynek die »Vereinigung freiwirtschaftlicher Individualisten S=I=E=G« (S = Stirner, I = Ibsen, E = Epikur, G = Gesell) und sympathisierte mit der 1930 bis 1931 erschienenen anarchistischen Zeitung »contra« (Wien).
Adressen
- Dürnstein 64, Niederösterreich (Geburtsadresse)
- Wien 3., Hohlweggasse 32 (1919)
- Wien 8., Alser Straße 69/26 (1924 bis 1931)
- Wien 21., Leopoldauer Stadtrand-Siedlung 53 (1937)
- Wien 21., Leopoldauer Stadtrand-Siedlung 1/Bauteil 53 (1941)
Publikationen
Bücher und Broschüren
- Besinnet Euch! Gedanken eines antimilitaristisch gesinnten Soldaten im Kampfe um die Erhaltung seines Ichmenschen gegen die Kasernentyrannei des Weltkrieges. Von I. Heinrich Holz-Reyther (Ernst Muthmann). Wien: Verlag: »Der Neue Mensch« 1919, 47 S. Enthält auch I. Heinrich Holz-Reyther [d. i. Ignaz Holzreiter]: Ein Ruf an alle denkenden Menschen und sozialistischen Arbeiter zur Gründung eines Internationalen antimilitaristischen Bundes zur Propaganda der direkten, individuellen Aktion mit dem Sitz in Wien, Umschlagseite 2.
- Wie soll sich Deutschland vor der Vernichtung durch seine Feinde retten? Eine erste Antwort auf diese Frage von einem seine deutsche Heimat liebenden Sozialisten. Von I. Heinrich Holz-Reyther (Ernst Muthmann). (Separatabdruck aus dem Buche: Besinnet Euch! Gedanken eines antimilitaristisch gesinnten Soldaten im Kampfe um die Erhaltung seines Ichmenschen gegen die Kasernentyrannei des Weltkrieges.) Wien: Verlag: »Der Neue Mensch« 1919, 16 S. Sonderdruck der ersten 12 Seiten, erweitert um den Artikel von I. Heinrich Holz-Reyther [d. i. Ignaz Holzreiter] / Josef Blumaier (1893–1977) / Justine Simeth: Ein Ruf an Alle zur Gründung eines Internationalen antimilitaristischen Bundes zum Schutze der Menschheit vor künftigen Kriegen durch antimilitaristische Volksaufklärung (Propaganda der direkten, individuellen Aktion durch Respektierung des göttlichen Vernunftgebotes: »Du sollst nicht töten!«) mit dem Sitze in Wien, S. 13–15.
- Gracchus Babeuf (Die Verschwörung für die Gleichheit). Tragödie eines Volkstribunen in zehn Aufzügen (Bildern) von I. Holz-Reyther. Bühnenausgabe. (Umschlagzeichnung vom Verfasser. Als Manuskript gedruckt.) Wien: Verlag »Der Neue Mensch« [1920], 149 S. Enthält Seite 3 eine Widmung an den Austromarxisten Max Adler (1873–1937): »Meinem hochgeschätzten Lehrer Herrn Universitätsprofessor Dr. Max Adler dem ich bleibende Eindrücke verdanke, und in dessen Soziologischem Seminar ich selbst über Babeuf vorgetragen habe.«
b) Gracchus Babeuf (Die Verschwörung für die Gleichheit). Tragödie eines Volkstribunen in zehn Aufzügen (Bildern). (Bühnenausgabe.) Wien-Stammersdorf: Verlag »Der Neue Mensch« 1930, XVI, 150 S.
Periodika
- Der Anarchist. Das Blatt der Anarcho-Sozialisten und konsequenten Antimilitaristen – die Stimme der Unzufriedenen und Deklassierten. Organ der Anarcho-Sozialisten und revolutionären Antimilitaristen (ab 1. Jg., Nr. 2: Der Anarchist. Das Blatt der Anarcho-Sozialisten und revolutionären Antimilitaristen) (Wien), 1. Jg., 3 Nummern (1. Mai bis Juli 1919): Herausgeber und verantwortlicher Redakteur (unter dem Pseudonym »I. Heinrich Holtz-Reyther«).
Mitarbeiter*innen an Periodika
- Ver! (Wien) 1917
- Der Anarchist (Wien) 1919
- Revolution! (Wien) 1919
- Arbeiterkampf (Wien) 1920
Kategorien
Autor / Version / Copyleft
Autor: Reinhard Müller
Version: Juni 2024
Anarchistische Bibliothek | Archiv | Institut für Anarchismusforschung | Wien
Copyleft
Karte
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Der Text dieses Flugblattes wird oft falsch mit »Wir brauchen kein Heer, wir brauchen keine Wehrmacht, weg mit den Mördern!« wiedergegeben.
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Vgl. I. Heinrich Holz-Reyther [d. i. Ignaz Holzreiter] / Josef Blumaier (1893–1977) / Justine Simeth: Ein Ruf an Alle zur Gründung eines Internationalen antimilitaristischen Bundes zum Schutze der Menschheit vor künftigen Kriegen durch antimilitaristische Volksaufklärung (Propaganda der direkten, individuellen Aktion durch Respektierung des göttlichen Vernunftgebotes: »Du sollst nicht töten!«) mit dem Sitze in Wien, in I. Heinrich Holz-Reyther (Ernst Muthmann): Wie soll sich Deutschland vor der Vernichtung durch seine Feinde retten? Eine erste Antwort auf diese Frage von einem seine deutsche Heimat liebenden Sozialisten. Von I. Heinrich Holz-Reyther (Ernst Muthmann). (Separatabdruck aus dem Buche: Besinnet Euch! Gedanken eines antimilitaristisch gesinnten Soldaten im Kampfe um die Erhaltung seines Ichmenschen gegen die Kasernentyrannei des Weltkrieges.) Wien: Verlag: »Der Neue Mensch« 1919, S. 13–15.