Anton Mottl (1854–1933)
Persönliche Daten
Familienverhältnisse
Vater: Anton Motl; d. i. Antonín Motl, Sohn einer Bäuerin und eines Bauern: Bauer; Heirat in Networitz (Böhmen [Netvořice, Tschechien]) am 27. Oktober 1851 mit:
Mutter: Anna Motl, geborene Zmek, Tochter einer Bäuerin und eines Bauern: Bäuerin
Ehe: ja
Biographie
Anton Mottl gehörte zu den wichtigen Persönlichkeiten der tschechoslawischen radicalen Arbeiterbewegung in Böhmen mit großem Einfluss auf die tschechoslawische radicale Arbeiterbewegung in Österreich. Er war Delegierter der geheimen Delegiertenkonferenz der »Sociálně-demokratická strana českoslovanská v Rakousku« (Tschechoslawische sozial-demokratische Arbeiterpartei in Österreich), welche am 19. August 1880 in Prag (Böhmen [Praha, Tschechien]), im Gasthaus am Ziegenplatz 915-1 [Kozí plácek], mit Delegierten aus Wien und Prag sowie den Herausgebern der Zeitungen »Budoucnost« (Praha; Die Zukunft), Organ der Gemäßigten, und »Dělnické listy« (Praha; Arbeiterblätter), Organ der Radicalen, stattfand. Auf seinen Antrag hin wurde der umstrittene Passus des alten, in Brünn (Mähren [Brno, Tschechien]) 1878 beschlossenen Parteiprogramms über die Wege zur Erreichung der Parteiziele von »mit gesetzlichen Mitteln« in »mit allen möglichen Mitteln« geändert. Außerdem wurde auf dieser Konferenz beschlossen, zwecks Hebung und besserer Organisation der »Sociálně-demokratická strana českoslovanská v Rakousku« einzelne Sektionen als geheime Gruppen zu führen. Solche geheimen Gruppen sollen noch 1880, weitere im Verlauf des Jahres 1881 entstanden sein. Im Februar 1881 gründeten die tschechoslawischen Sozialdemokraten aus Wien und Prag auch ein Agitationskomitee der »Sociálně-demokratická strana českoslovanská v Rakousku« unter Leitung des Webergehilfen Josef Hybeš (1850–1921), dem auch Anton Mottl angehörte. Am Morgen des 18. April 1881 wurden bei zahlreichen Radicalen in Prag und seinen Vororten Hausdurchsuchungen vorgenommen, auch bei Anton Mottl, die aber für ihn zunächst keine Folgen zu haben schienen. Am Abend desselben Tags fand im Extrazimmer des Gasthauses »zu den drei Wilden«, Kettengasse 1010-1 [Řetězová], dessen Besitzer, der Gastwirt Adalbert Jarušek (1829–1889), selbst ein Radicaler, eine Gedenkfeier zur Pariser Commune von 1871 statt, wobei auch revolutionäre Lieder gesungen wurden. Die Festreden hielten Anton Mottl und der Schneidergehilfe Ladislaus Zápotocký (1852–1916). Diese Veranstaltung wurde den Rednern wie einigen Teilnehmern im großen Prager Radicalen-Prozess vom Jänner 1882 zur Last gelegt. Am Nachmittag des 18. August 1881 fand im Gasthaus »u Ježků« (zu den Igeln) in Prag, Ziegenplatz 200-1 [Kozí plácek], wieder eine geheime Delegiertenkonferenz der »Sociálně-demokratická strana českoslovanská v Rakousku« statt, auf der ein neues Agitationskomitee gewählt wurde, dem auch Anton Mottl wieder angehörte. Bereits am nächsten Tag, am 19. August 1881, wurden zahlreiche Hausdurchsuchungen bei den Radicalen in Prag durchgeführt. Auch Anton Mottl wurde verhaftet und am 21. August 1881 in das Landesgericht Prag eingeliefert. Vom 23. Jänner bis 4. Februar 1882 fand schließlich vor dem Landes- als Strafgericht Prag in geheimer Verhandlung der erste große Radicalen-Prozess gegen die im Oktober und Dezember 1881 verhafteten einunddreißig tschechoslawischen Radicalen statt, von denen sich zwanzig bis zum Prozessbeginn in Haft befunden hatten. Alle wurden der Vergehen gegen die öffentliche Ruhe und Ordnung und der Geheimbündelei angeklagt, Anton Mottl außerdem des Verbrechens der Majestätsbeleidigung, des Vergehens der Gutheißung ungesetzlicher Handlungen sowie des Pressevergehens durch Verbreitung verbotener Druckschriften. Mottl wurde wegen Verbrechens der Majestätsbeleidigung und der Vergehen der Gutheißung einer gesetzlich verbotenen Handlung sowie gegen die öffentliche Ruhe und Ordnung als Mitglied einer geheimen Gesellschaft zu vierzehn Monaten schwerem Kerker verurteilt. Seine Nichtigkeitsbeschwerde wurde vom Kassationshof mit Urteil vom 8. Juli 1882 zurückgewiesen. Mottl wurde anschließend aus Prag für beständig abgeschafft und unter polizeiliche Überwachung gestellt: »3363 Mottl Anton, Schneidergeh., nach Netvořic, Bez. Beneschau in Böhmen zust., 28 J. alt, früher in Prag wohnh. gewesen, vom hiesigen k. k. Land.-Ger. am 4. Febeuar v. J. des §. 305, ferner der §§. 285, 286 a, 287 c St.-G. zu 14 M. wegen Verbr. der Majestätsbeleidigung, dann wegen Vergehens schw. Krk. verurtheilt, wurde nach Abbüßung dieser Strafe am 9. d. M. aus Prag u. dem Polizei-Rayon für beständig abgeschafft u. mittelst Zwangspasses in die Heimat gewiesen. Sein Vorkommen u. Treiben ist, da er einer der Hauptagitatoren der hierländigen sozialistischen Propaganda ist, der schärfsten Ueberwachung zu unterziehen u. wird beigefügt, daß an demselben Tage, u. zw. 11. l. M. seine Complicen Franz Jonata, Schneider, aus Jenoves, Bez. Raudnitz, 30 J. alt, k., verh.; Franz Mařáček, Schneider, aus Kuttenberg, 35 J. alt, k., verh., u. der gewesene Redakteur der ›Dělnické listy‹ Josef Boleslav Pecka, 33 J. alt, k., l., aus Rataj, Bez. Kuttenberg, aus der gerichtlichen Strafe getreten u. nach erfolgter Abschaffung in die bezüglichen Heimatsgemeinden mit Zwangspaß instradirt worden sind. Pol.-Dion. Prag 12/9. 83.«1
Die Folgen dieses Prozesses waren sowohl für die Radicalen in Österreich wie auch für die österreichischen Radicalen im Exil, insbesondere in den USA, von großer Bedeutung. Anton Mottl selbst ging nach seiner Haftentlassung nach Deutschland ins Exil. Hier zog er sich von der Arbeiterbewegung zurück und verdiente seinen Lebensunterhalt als Schneidergehilfe. Nach dem Ersten Weltkrieg kehrte er nach Netvořice zurück, wo er bis zu seinem Tod lebte.
Adresssen
- Networitz, Böhmen [Netvořice, Tschechien], Networitz 86 (Geburtsadresse)
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Autor: Reinhard Müller
Version: Mai 2024
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Karte
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[Anonym]: 3363 Mottl Anton, in: Central-Polizei-Blatt. Herausgegeben von der k. k. Polizei-Direktion zu Wien (Wien), Nr. 57 (23. September 1883), S. 231.