Karl K. Kende (1868–1939)

Persönliche Daten
Namensvarianten
das ist Karl Kende
ungarische Namensform: Károly Kende
Pseudonym: Karl K. Kende [für Karl Károly Kende]
genannt: Onkel Kende
Geburtsdatum
19. Mai 1868
Sterbedatum
30. August 1939
Religionsbekenntnis
israelitisch

Ehe: in Budapest (Ungarn) am 2. November 1902 zivilrechtlich mit Herma [?]: Hausfrau; 1909 geschieden
Kind: eines

Biographie

Karl K. Kende, Sohn einer Hausfrau und eines Beamten, riss bereits als Sechzehnjähriger aus und kam nach Budapest (Ungarn). 1884 folgte er einem Zauberkünstler nach Pozsony / Preßburg (Ungarn [Bratislava, Slowakei]), bei dem er einige Zauberkunststücke lernte. 1886 bis 1889 war er freiwillig beim Militär.

Nach mehreren beruflichen Versuchen wurde Karl K. Kende 1894 Verkäufer, zuletzt sogar Abteilungschef der Firma »Testolini Frères« in Triest (Küstenland [Trieste, Italien]).

Am 2. November 1902 heiratete Karl K. Kende in Budapest zivilrechtlich die Katholikin Herma Kende. Er gab seinen Posten in Triest auf und eröffnete in Budapest ein Patentbüro, das aber nach einem halben Jahr Pleite ging.

1903 übersiedelte Karl K. Kende mit seiner Ehefrau nach Wien. Hier arbeitete Kende bis 1906 als Fremdenführer. Seine Ehefrau, mit der er auch ein Kind hatte, war über diesen Berufswechsel enttäuscht und ließ sich in einem langwierigen Scheidungsprozess – 1906 bis 1909 – scheiden. In Wien betätigte sich Kende vor allem als Erfinder. Beispielsweise hatte er ein Patent für Bartbindentäschchen (16. Jänner 1904), für ein Kinderspielzeug und für Visitenkarten (13. Juli 1904), für ein botanisches Spiel und ein Bagger-Tintenfass (24. August 1904), für einen Juxartikel und eine Postkarte (2. November 1905), für einen Stock (9. November 1905), für ein Reklame-Tintenfass (16. November 1905), für eine weitere Postkarte (6. Dezember 1906), für Billardschützer (5. August 1908, Nr. 107480), für Papierkrawatten (8. Juni 1909, Nr. 112750), für Kragenschoner und für Vorhänge aus Papier (12. Juni 1909, Nr. 112799) und gemeinsam mit Siegmund Kornmehl (1875–1938) für Zigarren- und Zigarettenspitzen (12. Februar 1916, Nr. 148138–148145). 1912 meldete er auch ein Patent für Fahrtrichtungssignale für Automobile an, die später als Autowinker bekannt wurden, und im Juni 1914 stellte er in seinem so genannten Kende-Laboratorium eine elektrische Buchstabenlampe vor, womit er die späteren Leuchtschriftreklamen vorwegnahm.

Daneben bemühte sich Karl K. Kende auf alle nur erdenklichen Weisen Geld zu verdienen, bot sich als Stenograf und Schreibmaschinenschreiber sowie als Sekretär und Vorleser an, eine Tätigkeit, von der er behauptete, ihr zwei Jahre lang bei einem Adeligen nachgegangen zu sein. 1908 inserierte er sein Werk »Dolcaria oder der einzige Weg zum Glück« über Glück und internationale Geheimzeichen. Er bezeichnete sich als Gründer einer »Thermometer-Reklame-Unternehmung« und als Börsenvorstand einer von ihm in einem Wiener Café eingerichteten Erfinderbörse. Nachdem Kende im Juli 1909 von seiner Lebensgefährtin, einer Wirtschafterin, als Heiratsschwindler angezeigt wurde, kam er in Untersuchungshaft und sollte sich am 20. Dezember 1909 vor einem Schwurgericht in Wien wegen Betrugs verantworten. Das Verfahren wurde allerdings eingestellt, weil ihm der Gerichtspsychiater eine psychische Erkrankung (manisch-depressives Irresein) attestierte, und Kende wurde aus der Untersuchungshaft entlassen.1 Karl K. Kende wurde 1916 zum Kriegsdienst eingezogen und kam nach zwei Jahren seelisch zerrüttet nach Wien zurück. Er meldete zwar noch im August 1918 eine Patent für Riechstoffblätter (6. August 1918, Nr. 151344–151345) an, konnte aber wirtschaftlich nicht fußfassen.

Karl K. Kende wurde nun zunehmend politisch aktiv. Er war eines der Gründungsmitglieder der Wiener »Roten Garde« am 31. Oktober 1918, schied aber nach seinem als »Selbstmordformular« bekannt gewordenen Flugblatt aus. 1919 stieß er zur anarchistischen Bewegung um Karl F. Kocmata (1890–1941) und publizierte auch in dessen Zeitung »Revolution!« (Wien). Kende nannte sich nunmehr Schriftsteller und Redakteur. Er gab 1919 bis 1922 die Wochenzeitung »Die Wahrheit. Internationale unparteiische Wochenschrift« (Wien), heraus, 1923 bis 1924 fortgesetzt als »Die ideale Ordnung. Ethische, unparteiische Volksschrift« (Wien), 1924 bis 1926 fortgesetzt als »Das curiose Blatt. Ethische, unparteiischem satirische Volksschrift« (Wien). 1927 bis 1933 gab er schließlich die als Privatdruck erschienene Zeitschrift »Die Welle« (Wien) heraus.

Am 8. April 1920 startete Karl K. Kende eine Aktion, über die er in seiner Zeitung schrieb, sie aus idealistischen, sozialen Gründen begangen zu haben, um seine Zeitschrift fortführen zu können. Mit Hilfe der in der Zentralbank deutscher Sparkassen, Wien 1., beschäftigten fünfzehnjährigen Telefonistin Hermine Stupetzky schlich er sich in die Telefonzentrale der Bank und entwendete eine dort gelagerte Kiste mit rund 44.300 Kronen. Kende hatte diesen Coup gemeinsam mit dem mehrfach wegen Diebstahls vorbestraften Kontoristen Albert Zuba (1890–?), der bei ihm als Schreiber arbeitete, geplant. Am 11. April 1920 wurde Kende verhaftet und legte ein Geständnis ab. Zuba wurde am 17. November 1920 von einem Schöffengericht wegen Verbrechens des Diebstahls zu zehn Jahren schwerem Kerker verurteilt, Stupetzky freigesprochen. Das Verfahren gegen Kende wurde eingestellt, weil das Gutachten des Gerichtspsychiaters bei ihm Wahnsinn festgestellt hatte.

Karl K. Kende wurde in eine so genannte Irrenanstalt eingewiesen, aus der er aber bald wieder entlassen wurde. Er wandte sich erneut seiner Tätigkeit als Erfinder zu. Im Jänner 1921 meldete er ein Patent auf eine Konstruktion zur Ersetzung der teuren Fassungen und Gewinde für elektrische Glühlampen an. Am 6. April 1921 wurde Kende in der dritten Versammlung der »Arbeitsgemeinschaft österreichischer Erfinder« als deren Gründer zu ihrem Präsidenten gewählt. In dieser Funktion plante er die Errichtung eines Erfinderheimes in Wien-Hütteldorf. Im Oktober 1921 übersandte Kende dem Bundesministerium für Finanzen ein Exposé, in welchem er direkte Einnahmen für den Staat durch Postwertzeichen als Propagandamittel und gleichsam Inserat für wirtschaftliche Großunternehmen propagierte. 1923 vorübergehend obdachlos, gründete Kende im Jänner 1925 eine Radiobörse im Vortragssaal des »Wiener Radiocafés«, Wien 7., Zieglergasse 83, verbunden mit einer Ausstellung von mit dem Radio zusammenhängenden Artikeln. Im Oktober 1925 präsentierte Kende, nunmehr in Wien 20., Klosterneuburger Straße 111, wohnhaft, eine zeigerlose Uhr, die auch von Sehbehinderten benutzt werden konnte. Zuletzt lebte er als »Wahrheitssucher«, der für den gesamten Erdball einen Universalstaat propagierte, und wohnte als »Onkel Kende« nahe dem Prater in Wien 2., Stuwerstraße 33, wo er als Original allgemein bekannt war. Hier arbeitete er 1936 an seiner letzten Erfindung, einer Vorrichtung zur Vermeidung des Leuchtgastodes. Karl K. Kende verstarb im Spital der Israelitischen Kultusgemeinde.

Adressen

  • Wien 7., Kaiserstraße 6 (1904)
  • Wien 5., Margaretenstraße 67 (1904)
  • Wien 4., Rainergasse 7 (1905 bis 1906)
  • Wien 1., Kleblattgasse 11 (1906 bis 1907)
  • Wien 7., Bandgasse 27 (1908)
  • Wien 2., Ausstellungsstraße 7 (1911)
  • Wien 5., Schönbrunner Straße 60 (1912)
  • Wien 8., Neudwaldegger Gasse 21 (1920 bis 1923)
  • Wien 2., Stuwerstraße 33 (1927 bis 1928)
  • Wien 18., Spital der Israelitischen Kultusgemeinde, Währinger Gürtel 97 (Sterbeadresse)

Bücher und Broschüren

  1. Dolcaria oder der einzige Weg zum Glück. Wien: Selbstverlag 1908, 32 S.
  2. »Die Wahrheit«. Gewidmet dem Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika, Woodrow Wilson. Wien: Verlag Ed. Sturm 1919, 72 S.2Betrifft Woodrow Wilson (1856–1924).

Periodika

  1. Die Wahrheit. Internationale unparteiische Wochenschrift (Wien), [1].–4. Jg. (1919 – 1922): Herausgeber und Redakteur; fortgesetzt als:
  2. Die ideale Ordnung. Ethische, unparteiische Volksschrift (Wien), 5.–6. Jg. (1923 – Jänner/März 1924): Herausgeber und Redakteur; fortgesetzt als:
  3. Das curiose Blatt. Ethische, unparteiischem satirische Volksschrift (Wien), 6.–8. Jg. (April/Juni 1924 – April 1926): Herausgeber und Redakteur.
  4. Die Welle (Wien), 1.–7. Jg. (1927–1933): Herausgeber und Redakteur.
  • Revolution! (Wien / Wien – Leipzig – Berlin / Wien – Berlin) 1919
Karte
  • 1

    Der Fall Karl K. Kende wurde auch als Fallstudie publiziert; vgl. Erwin Stransky (1877–1962): XI. Atypischer Fall, anscheinend wesentlich chronische Manie leichten Grades, ethische Defekte, wegen Schwindeleien forensisch, in Erwin Stransky: Das manisch-depressive Irresein. Leipzig – Wien: Verlag von Franz Deuticke 1911 (= Das Handbuch der Psychiatrie. Spezieller Teil. 6. Abteilung.), S. 204–293.

  • 2

    Vgl. die Rezension von Paul Beer (1900–1931): Bücher-Einlauf [/] Karl K. Kende: Die Wahrheit, in: Revolution! (Wien), [1]. Jg., Nr. 10 (26. April 1919), S. 4.