Artur Fencl (1893–1918)

Persönliche Daten
Namensvarianten
das ist Arthur Fenčl
Pseudonym: Artur Fencl
falsche Namensschreibung: Arthur Fenzl
Geburtsdatum
1893
Sterbedatum
April 1918
Biographie

Ein für den Boheme-Anarchismus typischer Vertreter war der jung verstorbene Artur Fencl, der in Klosterneuburg (Niederösterreich) lebte, hier im September 1912 ein Anhänger von Rudolf Großmann alias Pierre Ramus (1882–1942) wurde und der sich kurz zuvor mit Karl F. Kocmata (1890–1941) eng befreundet hatte.

Über das Leben von Artur Fencl ist nur wenig bekannt, doch wissen wir, dass er aus gutbürgerlichen Verhältnissen stammte, aus denen er als etwa Fünfzehnjähriger ausbrach: »Meine Jugend war getaucht in die goldene Flut von Wohlhabenheit und Güte. Und vieles, von dem ich nicht sprechen will, über das ich nicht nachdenken will, liegt zwischen jenen glücklichen Tagen reiner Kindheit und jener anderen Zeit bitteren Erkennens, harten Lernens und Schauens, jener Zeit, da ich ›im Bruch‹ war.«1 Fencl war also ins Milieu der Kleinkriminalität eingedrungen, wo er auch seine Dichtungen ansiedelte und auf seine große Liebe stieß: »ein Weib, mit dem mich innige Liebe verband, ein Weib, das, obwohl es nur eine arme, verachtete Dirne war, so unendlich viel für mich getan hat.«2 Fencl, der sich »für immer den Geächteten und Enterbten verbündet« fühlte und der beabsichtigte, »deren Sprecher und Sprachrohr zu sein«,3 schrieb über den »g’flickten Ferdl« (pockennarbiger Ferdinand), den »Verbrecher«, den »Sünder«, die »Dirne«, über »Abenteurermoral« und »Vagabundenliebe«, schrieb über die »Ärmsten der Armen«. Einen Gedichtzyklus nannte er bezeichnender Weise »Die Kloake«. Fencl, von dem nur Gedichtband und in Kocmatas »Verlag ›Adria›«1913 ein Band Novellen erschienen, veröffentlichte in den anarchistischen Zeitungen und Zeitschriften »Wohlstand für Alle« (Wien) 1912 bis 1914, in »Das Gesindel« (Wien) 1912, in »Neue Freie Worte« (Wien) 1912 bis 1913 und in »Zukunft!« (Wien) 1913 fast nur dichterische Arbeiten. Eine Reihe unveröffentlichter Texte lässt jedoch auch sein essayistisches Interesse am Anarchismus erkennen.4

Anlässlich der Einladung zur Subskription des ersten Buches von Artur Fencl würdigte ihn Karl F. Kocmata als »ein versprechendes Talent«.5 Doch kaum ein Jahr später, im Herbst 1914, kam es jedoch zum Bruch zwischen den beiden. Fencl wurde unter dem Verdacht der Spionage für Serbien sowie der Geheimbündelei am 26. September 1914 gemeinsam mit seinem Freund Karl F. Kocmata durch den Beamten des Sicherheitsbureaus Alfred Wimmer (1884–1917) verhaftet, zunächst im Sicherheitsbureau der k. k. Polizeidirektion Wien, Wien 9., Elisabethpromenade 7 (heute Roßauer Lände 7), Zelle 17, inhaftiert und am 1. Oktober in das k. k. Landesgericht Wien, Wien 8., Landesgerichtsstraße 11, eingeliefert und später ohne Anklageerhebung entlassen. Kocmata warf seinem Freund Fencl vor, Schuld an der dreimonatigen Haft zu sein, und er verdächtigte ihn sogar, ein Polizeispitzel zu sein. Fencl wurde nämlich aus gesundheitlichen Gründen nicht zum Kriegsdienst eingezogen, sondern einer dem Kriegsministerium unterstellten Dienststelle in untergeordneter Stellung zugewiesen. Kocmata erzählte seinem Freund, dem Anarchisten Ignaz Holzreiter (1894–1979), von seinem Verdacht gegenüber Fencl, doch soll er diesen später zurückgenommen haben. »Heute ist K[arl] F. K[ocmata] der Anschauung, sich in seiner früheren Meinung über F[encl], die er übrigens nur mir gegenüber äußerte, geirrt zu haben und bedauert, wie wir alle, dessen frühes Ende6 Doch ganz so versöhnlich, wie es Holzreiter 1919 beschrieb, war das keinesfalls. In seinem Nachruf auf den mit fünfundzwanzig Jahren an Tuberkulose verstorbenen Artur Fencl betonte Kocmata lediglich: »Fencl war Anarchist und dichterischer Anwalt jener Frauen, die der Bürger Tags verachtet.«7 Und Kocmata wies darauf hin, dass »wir Beide durch sein Verschulden kurz nach Kriegsausbruch drei Monate erfolgloser Untersuchungshaft unter dem Verdacht der Geheimbündelei im Wiener Landesgericht verbrachten.«8

Unabhängig von dem in der anarchistischen Bewegung in Wien viel diskutierten Konflikt mit Karl F. Kocmata gehört Artur Fencl zu den wichtigen Persönlichkeiten des Anarchismus im Österreich vor dem Ersten Weltkrieg.

Adressen

  • Wien 8., Schlösselgasse 12 (1914)

Bücher und Broschüren

  1. Wege, die wir gehen müssen. Novellen. Ein Buch für strebsame Leute. Wien – Leipzig: Verlag »Adria« 1913, 92 S.9 Hier wurde auch Artur Fencls Buch »Es spricht die Seele in der Nacht. Fragmente des Erlebens« im selben Verlag für 1913 angekündigt, welches aber nicht erschien. Es könnte sich dabei um das 1914 unter dem Titel »Sumpfblüten« erschienen Buch Fencls handeln.

  2. Sumpfblüten. Dichtungen aus der Gosse. (Umschlagzeichnung von Franz Schöffel – Wien.) Wien: Verlag des »Zeitvertreib« 1914, 50 S., Illustrator: Franz Vinzenz Schöffel (1884–1959).10

Abdrucke in:

Nachrufe

  • Karl F. Kocmata (1890–1941): Artur Fencl, in: Ver! (Wien), [1]. Jg., H. 16/17 (Juni 1918), S. 217. 
Karte
  • 1

    Artur Fencl: Der Wind jagt raschelnde, braune Blätter […], in ders.: Sumpfblüten. Dichtungen aus der Gosse. Wien: Verlag des »Zeitvertreib« 1914, S. 9 –10.

  • 2

    Artur Fencl: Der Wind jagt raschelnde, braune Blätter […], in ders.: Sumpfblüten. Dichtungen aus der Gosse. Wien: Verlag des »Zeitvertreib« 1914, S. 10. Erwähnt wird Artur Fencl auch in der unpublizierten Autobiografie von Karl Dopf (1883–1968): Wege und Irrwege. Lebensabriß eines ostmärkischen Papierarbeiters, S. 197–198, im Nachlass Carl Dopf, im Archiv Soziale Bewegungen in Oberösterreich, Linz an der Donau.

  • 3

    Artur Fencl: Der Wind jagt raschelnde, braune Blätter […], in ders.: Sumpfblüten. Dichtungen aus der Gosse. Wien: Verlag des »Zeitvertreib« 1914, S. 10.

  • 4

    Im Nachlass Pierre Ramus im Internationaal Instituut voor Sociale Geschiedenis, Amsterdam, befinden sich von Artur Fencl: Krankheiten der Menschheit. 1912, achtseitiges Manuskript in Mappe 298, Was ist Weltgeschichte? – Uber [!] Marxismus, fünfseitiges Manuskript in Mappe 301, Die Vergewaltigung des Einzelnen durch die Systeme, siebenseitiges Manuskript in Mappe 301, Was ist der Militarismus von Heute? Was ist er dem Staat, was dem Volk?, zweiseitiges Manuskript (mit beigelegtem Brief an Rudolf Großmann alias Pierre Ramus) in Mappe 300.

  • 5

    [Karl F. Kocmata (1890–1941)]: Einladung zur Subskription, in: Neue Freie Worte. Organ zur Wahrung der Interessen aller ehrlich arbeitenden Stände (Wien), 2. Jg., Nr. 44 (23. August 1912), S. 7.

  • 6

    I. Heinrich Holz-Reyther [d. i. Ignaz Holzreiter (1894–1979)]: Ein letztes Wort zur Steuer der Wahrheit, in: Revolution! (Wien), [1]. Jg., Nr. 7 (5. April 1919), S. 3.

  • 7

    Karl F. Kocmata (1890–1941): Artur Fencl, in: Ver! (Wien), [1]. Jg., H. 16/17 (Juni 1918), S. 217. Der Nachruf enthält auch zwei Gedichte von Artur Fencl.

  • 8

    Karl F. Kocmata (1890–1941): Artur Fencl, in: Ver! (Wien), [1]. Jg., H. 16/17 (Juni 1918), S. 217.

  • 9

    Vgl. die Rezension von Karl F. Kocmata (1890–1941): Literatur und Kunst, in: Neue Freie Worte. Organ zur Wahrung der Interessen aller ehrlich arbeitenden Stände (Wien), 2. Jg., Nr. 59 (6. Dezember 1912), S. 7.

  • 10

    Vgl. die Rezension von Karl F. Kocmata (1890–1941): Vom Büchertisch. [/] Artur Fencl: Sumpfblüten. Dichtungen aus der Gosse, in: Ohne Herrschaft. Literarisches Beiblatt des »Wohlstand für Alle« (Wien), 7. Jg., Nr. 3 (März 1914), S. [4].