Michael Tschabitscher (1855–1934)
Persönliche Daten
Familienverhältnisse
Vater: Michael Tschabitscher, Sohn einer Auszüglerin und eines Auszüglers: Schustermeister; Heirat mit:
Mutter: Maria Tschabitscher, geborene Lackner, uneheliche Tochter einer Dienstmagd: Hausfrau
Biographie
Michael Tschabitscher absolvierte eine Schuhmacherlehre und kam als Schuhmachergehilfe nach Graz (Steiermark), wo er sich der radicalen Arbeiterbewegung anschloss. Er galt als wichtiger Verteiler der verbotenen Nummer 1 vom März 1883 der Zeitung »Erste Freie Presse Cisleithanien’s« [Inzersdorf (Wien)] in Wien, Neunkirchen (Niederösterreich), Wiener Neustadt (Niederösterreich), Graz (Steiermark), Leoben (Steiermark), Marburg an der Drau (Steiermark [Maribor, Slowenien]) und anderen Orten. Noch bevor ihn die Polizei festnehmen konnte, flüchtete Tschabitscher am 7. April 1883 aus Graz nach Graden [zu Köflach] (Steiermark). Gemäß dem Auftrag seiner Genossen reiste der Schuhmachergehilfe Franz Pronegg (1833–1886) am 13. April 1883 dorthin und übergab Tschabitscher 10 Gulden für seine Flucht nach Ungarn. Pronegg wurde bereits am 19. April 1883 verhaftet. Aufgrund der Denunziation Proneggs, der am 30. Jänner 1884 vom Landes- als Schwurgericht Graz wegen Hochverrats zu acht Jahren schwerem Kerker verurteilt wurde, wurden am 5. Februar 1884 in Graz zweiundzwanzig Radicale verhaftet. Vom 11. bis 25. Juni 1884 fand vor dem Landes- als Schwurgericht Graz der Prozess gegen zweiundzwanzig Radicale wegen Verbrechens des Hochverrats statt, darunter Franz Stremitzer. Sie wurden angeklagt, mittels Sammlung von Geldern zur Anschaffung von Waffen, Munition, Sprengmitteln und revolutionären Druckschriften, durch Anwerbung weiterer Mitglieder, persönlichen Unterricht und tatsächliche Verbreitung solcher Druckschriften, welche die Vorbereitung einer gewaltsamen Erhebung der Arbeiter bezwecken, Handlungen unternommen zu haben, welche auf eine gewaltsame Veränderung der Regierungsform und auf die Herbeiführung einer Empörung oder eines Bürgerkriegs gerichtet wären. Kernstück der Anklage war der angebliche Beschluss, Kaiser Franz Joseph I. (1830–1916) bei seiner Reise nach Graz im April 1883 mit Dynamit in die Luft zu sprengen. Nicht darunter war Michael Tschabitscher, der bereits seit April 1883 vom Landesgericht Graz – zunächst noch als »MaxTschabitscher« – steckbrieflich gesucht wurde: »1335 Tschabitscher Max [!], 28 J. alt, aus Baldramsdorf, Bez. Spital in Kärnthen, mittelgroß, mit längl. Ges., hoher Stirne, großen, bl. Aug., spärlichen, bld. H. u. bekl. mit schwz. Winterrocke u. solch. breitkrämpigen Hute, bis 7. d. M. in der h. o. Pollak'schen Schuhfabrik beschäftigt gew., ist als d. Verbr. d. §. 58 St.-G. beschuldigt, anher einzuliefern. Land.- Ger. Graz.«1
Michael Tschabitscher flüchtete nach Ungarn, wo er sich in Budapest niederließ und weiterhin in der radicalen Arbeiterbewegung aktiv war. Im Oktober 1885 wurde er nach einer Hausdurchsuchung wegen der bei ihm vorgefunden Druckschriften und Korrespondenz mit in London (England) lebenden Radicalen und festgenommen. Er wurde am 10. Oktober 1885 aus Budapest ausgewiesen und am 16. Oktober 1885 an den Grenzort Marchegg (Niederösterreich) abgeschafft.
Nach Wien zurückgerkehrt, wurde Michael Tschabitscher verhaftet und nach mehrmonatiger Untersuchungshaft vor Gericht gestellt. Am 4. März 1886 fand vor dem Landes- als Schwurgericht Graz unter Ausschluss der Öffentlichkeit der Prozess gegen Michael Tschabitscher statt, angeklagt der Verbrechen des Hochverrats, der Störung der öffentlichen Ruhe und der Aufreizung gegen vom Staat anerkannte und eingesetzte Körperschaften sowie der Ehrenbeleidigung. Vorgeworfen wurde ihm die Verteilung verbotener Druckschriften, daunter der Nummer 1 der Zeitung »Erste Freie Presse Cisleithanien’s« [Inzersdorf (Wien)] im Jahr 1883. Außerdem stand er nachweislich im Briefverkehr mit dem Anarchisten Johann Christoph Neve alias John Neve (1844–1896). Michael Tschabitscher wurde im Sinne der Anklage von den Geschworenen einstimmig für schuldig befunden und zu sechs Jahren schwerem Kerker verurteilt.
Michael Tschabitscher ließ sich nach seiner Haftentlassunf in Klagenfurt / Celovec [Klagenfurt am Wörthersee / Celovec ob Vrbskem jezeru] (Kärnten) nieder, wo er dann als Schuhmachermeister arbeitete und im März 1934 im Landes-Krankenhaus am 9. März 1934 an Herzschwäche verstarb.
Kategorien
Adresse
- Baldramsdorf, Kärnten, Unterhaus 16 (Geburtsadresse)
- Klagenfurt am Wörthersee / Celovec ob Vrbskem jezeru, Kärnten, Landes-Krankenhaus (Sterrbeadresse)
Karte
Autor / Version / Copyleft
Autor: Reinhard Müller
Version: Februar 2025
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[Anonym]: 1335 Tschabitscher Max, in: Central-Polizei-Blatt. Herausgegeben von der k. k. Polizei-Direktion zu Wien (Wien), Nr. 21 (19. April 1883), S. 82. Statt »Max« müsste es »Michael« heißen. Siehe auch [anonym]: »4000 Tschabitscher Max, falsch Michael, – Bl. Nr. 21, Art. 1335 v. J. 1883. Pol.-Dion. Wien 27/10. 85.«, in: Central-Polizei-Blatt. Herausgegeben von der k. k. Polizei-Direktion zu Wien (Wien), Nr. 64 (5. November 1885), S. 254.