Leopold Reinagl (1859–1933)

Persönliche Daten
Namensvarianten
das ist Leopold Aloys Reinagl
Geburtsdatum
2. September 1859
Sterbedatum
17. Mai 1933
Sterbeort
Religionsbekenntnis
römisch-katholisch

Vater: Leopold Reinagl (Unterthumeritz [zu Japons], Niederösterreich 9. Oktober 1825 – Waidhofen an der Thaya, Niederösterreich 27. August 1901): 1857 Dr. med., Arzt, bis 1892 Bezirksarzt, Amateursänger (Tenor); Heirat am 4. Oktober 1858 mit:
Mutter: Theresia Reinagl, geborene Marchand (Wien 24. März 1833 – Waidhofen an der Thaya, Niederösterreich 29. September 1898), Tochter einer Hausfrau und eines Statthaltereibeamten: Hausfrau
Schwester: Anna Reinagl (Mariazell, Steiermark 29. März 1861 – ?)
Bruder: Alois Maria Carl Reinagl (Mariazell, Steiermark 23. März 1863 – ?): Dr. med., Arzt
Schwester: Theresia Reinagl (Mariazell, Steiermark 31. März 1865): noch am Tag der Geburt verstorben
Bruder: Carl Borromäus Johannes Baptista Reinagl; später: Karl Reinagl (Mariazell, Steiermark 15. Jänner 1865 – Graz, Steiermark 6. Dezember 1950): Postbeamter, Postrat
Bruder: Josef Mauritius Reinagl (Mariazell, Steiermark 22. Jänner 1868 – Waidhofen an der Thaya, Niederösterreich 12. November 1882): Gymnasialschüler
Bruder: Anton von Padua Thomas Reinagl (Mariazell, Steiermark 5. Februar 1870 – Wien 27. Juni 1962): Bankbeamter
Bruder: Mauritius Marcus Reinagl (Mariazell, Steiermark 27. Oktober 1871 – Türmitz, Böhmen [Trmice, Tschechien] 24. Juli 1877)
Schwester: Theresia Maria Francisca Reinagl (Weiz, Steiermark 4. Oktober 1872 – ?)
Schwester: Maria Theresia Genovefa Reinagl (Bruck an der Mur, Steiermark 31. Oktober 1874 – ?)
Ehe: in der Schlosskirche in Kladrau (Böhmen [Kladruby (okres Tachov), Tschechien]) am 27. Mai 1888 mit Albina Henriette Elisabetha Aloisia Ebert; genannt: Alba Reinagl (? – Wien Jänner 1948), Tochter einer Hausfrau und des Oberdirektors des hochfürstlich Windisch-Grätz’schen Schlosses in Kladrau
Tochter: Elisabeth Maria Theresia Reinagl; genannt: Elsa Reinagl (Krumbach, Niederösterreich 18. Mai 1889 – Wien 12. Februar 1956): Dr. phil. (Geografie) an der Universität Wien am 17. Juli 1915, Hauptschuldirektorin

Biographie

Leopold Reinagl wuchs in Mariazell (Steiermark), seit 1871 in Weiz (Steiermark), seit 1873 in Bruck an der Mur (Steiermark) und seit 1875 in Waidhofen an der Thaya (Niederösterreich) auf. Er absolvierte eine landwirtschaftliche Fachschule und trat 1885 als Ökonomie-Volontär dem »Verein zur Förderung der Interessen der land- und forstwirtschaftlichen Beamten« bei. Danach arbeitete Reinagl seit etwa 1886 als Ökonom in Kladrau (Böhmen [Kladruby (okres Tachov), Tschechien]). 1888 wurde er Pächter des herrschaftlichen Maierhofs Krumbach 235 in Krumbach (Niederösterreich). Schließlich erwarb Reinagl als Gutsbesitzer 1891 das Gut Taschenhof in Aigen [zu Kirchschlag in der Buckligen Welt] (Niederösterreich). Hier wurde er Ausschussmitglied des am 8. Dezember 1891 gegründeten liberalen »Fortschrittlichen Vereins« im Wahlbezirk Neunkirchen.

Im Mai 1895 verkaufte Leopold Reinagl das Gut Taschenhof und übersiedelte als Güterinspektor nach Wien. Außerdem war er seit 1897 auch als Sachverständiger des Oberlandesgerichts Wien in Grundangelegenheiten tätig. 1902 trat er dem »Club der Land- und Forstwirte in Wien« bei und gründete das »k. k. konzessionierte land- und forstwirtschaftliche internationale Jagd-Bureau« in Wien 1., Wollzeile 25, welches er bis 1924 betrieb. Im Februar 1910 kaufte Leopold Reinagl die Herrschaften Freistein [Frajštajn] und Wartenheim [Vartenhajm] im Bezirk Windisch-Feistritz (Steiermark [Slovenska Bistrica, Slowenien]). Im Mai 1912 wurde er auch Vorstandsmitglied der »Pferdezuchtgenossenschaft für den Gerichtsbezirk Windisch-Feistritz«. Reinagl lebte aber weiterhin in Wien, wurde im Dezember 1915 Mitglied der »Gesellschaft für Kriegsinvalide« und beteiligte sich im Sommer 1916 an der Aktion »Wiener Kinder aufs Land«; er nahm auf seinem inzwischen wieder erworbenen Gut Taschenhof in Aigen [zu Kirchschlag in der Buckligen Welt] (Niederösterreich) fünfundzwanzig Kinder auf.

Nach Ende des Ersten Weltkriegs engagierte sich Leopold Reinagl vor allem auf dem Gebiet des Siedlungswesens als wichtiger Aktivist der inneren Kolonisation. Er nahm an der vom Föderativen Aktionskomitees des »Bundes herrschaftsloser Sozialisten«, Ortsgruppe Wien, einberufenen Ersten Siedlungskonferenz teil, welche am 14. September 1919 im Café »Stallburg« (Emil Mauer) in Wien 1., Habsburgergasse 9, stattfand. Einen Monat später, am 14. Oktober 1919, wurde die »Landwirtschaftliche Siedlungs- und Arbeitsgenossenschaft ›Neues Leben‹, registrierte Genossenschaft mit beschränkter Haftung« gemäß ihrem Statut vom 2. September 1919 in das Wiener Handelsregister eingetragen. Zweck der Genossenschaft war der »Betrieb der Land- und Forstwirtschaft und ihrer Nebengewerbe auf dazu geeigneten Grundstücken jeder Art und Größe, die sie entweder als Eigentum oder pachtweise oder auf sonstige Art in ihr Verfügungsrecht bringen wird.«1 Reinagl wurde Obmann dieser Genossenschaft, deren Vorstand auch der städtische Bürgerschullehrer Georg Hanisch (1875–1946) und der städtische Oberoffizial Hans Seeberger (1864–1941) angehörten. Keine Woche später, am 20. Oktober 1919, fand im Gasthaus »zum Feldmarschall Laudon« (Thomas Dwořak) in Wien 17., Hernalser Gürtel 11, die dritte Siedlungstagung des »Bundes herrschaftsloser Sozialisten« statt. Auf dieser wurde die Gründung des »Bundes österreichischer Siedlungsvereinigungen« beschlossen, dessen Arbeitsausschuss auch Reinagl angehörte. Auf Vorschlag von Karl Janotta (1880–1966) wurde der »Bund österreichischer Siedlungsvereinigungen« am 22. April 1920 aufgelöst, weil dessen Funktion durch die am 9. Jänner 1920 ins Handelsregister eingetragene »Siedlungs- und Produktionsgenossenschaft ›Neue Gesellschaft‹, registrierte Genossenschaft mit beschränkter Haftung« nunmehr wahrgenommen würde. Der »Siedlungs- und Produktionsgenossenschaft ›Neue Gesellschaft‹« gehörte Reinagl nicht mehr an.

Leopold Reinagl engagierte sich nun vor allem bei der »Landwirtschaftlichen Siedlungs- und Arbeitsgenossenschaft ›Neues Leben‹«. Diese in Wien 22. (Aspern) beim Biberhaufenweg gelegene Wohn- und Wirtschaftssiedlung, zu der 1921 auch zwei nahegelegene gepachtete Gutshöfe gehörten, erzeugte und verkaufte unter anderem Mehl, Gemüse, Milch, Butter, Fleisch und Hühner. Reinagl wirkte im Rahmen der Genossenschaft auch bei der im März 1922 in Wien gestarteten Aktion »Ackerbeetkultur« der Kleingärtner und Siedler mit. Mit der Durchführung der Siedlungsbauten der »Landwirtschaftlichen Siedlungs- und Arbeitsgenossenschaft ›Neues Leben‹« wurde die am 21. November 1922 in Wien protokollierte Firma »›Pewe‹ Bauunternehmungsgesellschaft mit beschränkter Haftung« beauftragt.

Daneben war Leopold Reinagl auch Initiator der am 30. April 1920 in Wiener Neustadt (Niederösterreich) protokollierten Firma »Genossenschafts-Siedlung Taschenhof, registrierte Genossenschaft mit beschränkter Haftung« in Aigen: »Betriebsgegenstand: Förderung des Erwerbes und der Wirtschaft der Mitglieder mittels gemeinschaftlichen Geschäftsbetriebes auf dem zu erwerbenden und durch die Mitglieder und deren Angehörige zu besiedelnden oder auch auf gepachteten land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken.«2 Er war Obmann, seine Ehefrau Alba Reinagl (?–1948) Obmann-Stellvertreterin. Beide ließen sich aber schon am 15. Mai 1922 als Vorstandsmitglieder löschen. Kurz danach wurde Leopold Reinagl Geschäftsführer der von ihm initiierten und gemäß Gesellschaftsvertrag vom 29. März 1922 samt Nachtrag vom 26. Mai 1922 am 16. August 1922 als Firma protokollierten »Vereinigung von landwirtschaftlichen Siedlern, Gesellschaft mit beschränkter Haftung« mit Sitz in Reinagls Wohnung in Wien 1., Postgasse 11. »Betriebsgegenstand: Der Betrieb landwirtschaftlicher Unternehmungen jeglicher Art, der Erwerb und die Pachtung landwirtschaftlicher Grundstücke zum Zwecke der Hebung landwirtschaftlicher Produktion, die Unterstützung der Gesellschafter dieser Gesellschaft und der Mitglieder der ihr angegliederten Genossenschaften zum Zwecke der Hebung der landwirtschaftlichen Produktion derselben, der Betrieb aller wie immer gearteten, dem Gesellschaftszwecke dienenden Handelsgeschäfte, jedoch mit Ausschluß von Bankgeschäften aller Art.«3

Aufsehen erregte Leopold Reinagl 1926 als Gutachter für die Kolonisierung der Oberau, erstellt im Einvernehmen mit dem »Reichsverband Kolonien in der Heimat« und mit der Generaldirektion des »Kriegsgeschädigtenfonds« als Besitzer des Areals. Auf dem 350 Hektar großen Grundstück bei Orth an der Donau (Niederösterreich) sollte eine Musterkolonie für Arbeitslose entstehen. Der »Kriegsgeschädigtenfonds« hatte das Ansinnen in seiner Sitzung vom 30. Juli 1926 aufgrund des vom Obmann des Reichsverbandes, dem sozialdemokratischen Landtagsabgeordneten a. D. Josef Wagner (1873–1936), vorgelegten Gutachtens abgelehnt. Dieses Gutachten, welches das vorgesehene Grundstück für die Kolonisierung als ungeeignet erachtete, stammte angeblich von Reinagl. Erst im September 1926 konnte Reinagl die Fälschung seines Gutachtens aufdecken, und er machte sein tatsächliches, die Oberau als geeignetes Siedlungsgebiet beurteilendes Gutachten öffentlich. Am 16. September 1926 besetzten Mitglieder des anarchistischen Flügels des »Reichsverbandes Kolonien in der Heimat« einen Teil der Oberau. Reinagl blieb weiterhin innerhalb der so genannten linken Innenkolonisten ein geachteter Gutachter und Experte. So referierte er beispielsweise am 29. Jänner 1929 beim »Verein zur Gründung eines Forschungsinstituts für Innenkolonisation« in Wien 1., Annagasse 18, 2. Stock, über »Moderne Siedlungs-, Wohnbau- und Wirtschaftsmöglichkeiten in Österreich«.

Adressen

  • Mariazell, Steiermark, Maria Zell 60 (Geburtsadresse; Wohnadresse bis 1872)

  • Weiz, Steiermark, Weiz 41 (1872–1873)

  • Bruck an der Mur, Steiermark, Bruck an der Mur 56 (1873–1873)

  • Krumbach, Niederösterreich, herrschaftlicher Maierhof Krumbach 235 (1888–1891)

  • Aigen [zu Kirchschlag in der Buckligen Welt], Niederösterreich, Gut Taschenhof (1891–1895)

  • Wien 3., Hörnesgasse 24 (1895–1904)

  • Wien 1., Wollzeile 25 (1904–1910)

  • Wien 1., Postgasse 11, 1. Stock (Wohnadresse 1910–1933; Sterbeadresse)

Bücher und Broschüren

  1. Sozialisierung durch die Selbstversorger-Genossenschaft. Ein Aufruf an Alle! Von Leopold Reinagl. Wien: Im Selbstverlag [1920] (= Aus der sozialistischen Praxis. 8.), 15 S. Die Reihennummer wurde nicht aufgedruckt, sondern handschriftlich hinzugefügt. Die Broschüre wurde auch durch den »Verlag Arbeiter-Buchhandlung« in Wien versendet.

  2. Heraus mit dem Entscheidungsgesetz für Siedlungsland! Ein Mahnruf in letzter Stunde. Im Anhang: Musterstatut für Siedlungsgenossenschaften – Beschlußreifer Entwurf eines Entscheidungsgesetzes – Ausgearbeitete Durchführungsvorschläge. Von Leopold Reinagl. Wien: Verlagsgenossenschaft »Neue Erde« [1920] (= Aus der sozialistischen Praxis. 11.), 36 S. Die Broschüre wurde auch durch den »Verlag Arbeiter-Buchhandlung« in Wien versendet.

  3. Sanierung der Wirtschaft – wodurch?? Zwei Referate. Zwei Referate. Dr. Julius Wilhelm: Abbau der Grossstadt und innere Kolonisation. Leopold Reinagl: Abbau der Arbeitslosigkeit durch gemeinnützige Bodenwirtschaft. Wien – Leipzig: Verlag von Moritz Perles 1925 (= Gegen den Strom! 4.), 48 S. Koautor: Julius Wilhelm (1861–1939).

  4. Fünf Fragen der österreichischen Bodenreform. Eine weltwirtschaftlich gültige Erprobung der gemeinnützigen Innenbesiedlung. Von Leopold Reinagl. Wien – Leipzig: Verlag von Moritz Perles 1928 [recte 1927], 63 S.

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