Josef Marschall
Persönliche Daten
Biographie
Der Schuhmachermeister Josef Marschall kam nach Wien, wo er sich der sozialistischen Arbeiterbewegung anschloss. 1878 wurde er Obmann des »Arbeiter-Bildungsvereins« in Gumpendorf (Wien 6.). Weil er in einer Ausschusssitzung des Vereins einem Nichtmitglied das Wort erteilt hatte, wurde er 1878 zu 30 Gulden Geldstrafe verurteilt. 1879 gehörte er auch dem Herausgeberkomitee der Zeitung »Der Sozialist« (Wien) an. Im August 1880 wurde Josef Marschall in das Agitationskomitee der »Sozialdemokratischen Arbeiterparte Österreichs« gewählt und schloss sich der radicalen Arbeiterbewegung an. Im Zuge der ersten großen Verhaftungswelle vom 21. bis 27. August 1880 gegen die Wiener Radicalen wurde auch Josef Marschall nach einer Hausdurchsuchung verhaftet, allerdings bald wieder auf freien Fuß gesetzt. In die so genannte Bambus-Affäre – der Schmuggel der Zeitung »Freiheit« (London) und anderer in London (England) gedruckter Druckwerke in Bambusrohren – war Josef Marschall nur am Rande involviert. Als am 25. September 1880 zwei Sendungen Bambusrohre aus London in Wien eintrafen, besprach sich der Drechslermeister Josef Steiner (~1839–?), an den eine der beiden Sendungen adressiert war, mit Josef Marschall.
Josef Marschall war auch Delegierter bei der zweiten geheimen Delegiertenkonferenz der »Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Österreichs«, die am 25. Dezember 1880 in Julienfeld (Mähren [Juliánov, zu Brno, Tschechien]) stattfand. Beschlossen wurden auf dieser unter anderem Neutralität gegenüber der gemäßigten Zeitung »Der Sozialdemokrat. Internationales Organ der Sozialdemokratie deutscher Zunge« (Zürich) und der radicalen Zeitung »Freiheit« (London), die Anerkennung der Zeitung »Die Zukunft« (Wien) als Zentralorgan der »Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Österreichs« ab dem 1. Jänner 1881, die Verlegung der Parteileitung von Reichenberg (Böhemn [Liberec, Tschechien]) nach Graz (Steiermark) und der Kontrollkommission von Linz an der Donau (Oberösterreich) nach Wien sowie die öffentliche und geheime Organisation der Partei, wobei Arbeiterangelegenheiten in den öffentlichen Organisationen, politische in den geheimen Clubs besprochen werden sollen. Schon bald darauf schwenkte Marschall von der radicalen Arbeiterbewegung ins Lager der Gemäßigten.
Am 7. Oktober 1883 fand in der so genannten Schwemme von »Schwender’s Casino« (Anna Silberbauer, damals noch verwitwete Schwender) in Rudolfsheim (Niederösterreich [zu Wien 15.]), Fünfhauser Hauptstraße, Ecke Kirchengasse [Mariahilfer Straße, Ecke Reindorfgasse], das erste Gründungsfest des »Fachvereins der Schuhmacher« statt. Der Schuhmachergehilfe Karl Feyrer (1859–1942) rezitierte das humoristische Gedicht »Die Affen-Colonie« vom Arzt, Naturwissenschaftler und Schriftsteller Carl Vogt (1817–1895), worin es unter anderem heißt: »Da kann entsteh’n eine Revolution.« Der Regierungsvertreter betrat gerade den Saal und verstand: »Es lebe die Revolution!«. Als Karl Feyrer daraufhin festgenommen wurde, entstand ein Tumult, und auch Josef Marschall wurde wegen Einmengung in eine Amtshandlung vorübergehend festgenommen. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich Josef Marschall längst der gemäßigten Arbeiterbewegung angeschlossen und wurde 1889 Mitglied der »Sozialdemokratischen Arbeiterpartei«.
Kurz darauf schloss sich Josef Marschall, seit 1892 Obmann-Stellvertreter des »Vereins der Wiener Schuhmachermeister ›Fortschritt‹«, der liberalen, der Sozialdemokratie nahestehenden »Fortschrittlichen Partei« an. Für diese kandidierte er am 24. Jänner 1894 bei den Ersatzwahlen für den Bezirksausschuss in Mariahilf (Wien 6.) und bei den Landtagswahlen in Niederösterreich 1896 für Rudolfsheim und Fünfhaus sowie bei den Landtagswahlen in Niederösterreich 1899 für die »Vereinigten fortschrittlichen und freisinnigen Parteien« für Mariahilf. Er kandidierte auch für die Wahlen in die Einkommenssteuerschätzungskommission vom 28. Februar 1900. Josef Marschall war auch 1899 Obmann-Stellvertreter und 1901 Obmann des »Vereins deutsch-fortschrittlicher Gewerbetreibender in Mariahilf«.
Adressen
Wien 6., Magdalenenstraße 53 (1880)
Wien 6., Aegidigasse 12 (1898–1901)
Mitarbeiter*innen an Periodika
Die Zukunft (Wien) 1879
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Autor: Reinhard Müller
Version: August 2024
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