Simon Radl (1862–)

Persönliche Daten
Geburtsdatum
Ungefähr 1862
Religionsbekenntnis
römisch-katholisch
Berufe

Ehe: ja

Biographie

Simon Radl absolvierte eine Schuhmacherlehre und kam als Schuhmachergehilfe nach Wien. Hier schloss er sich jener Gruppe von Sozialrevolutionären an, die – sich teilweise personell mit den Unabhängigen Socialisten überschneidend – noch sehr stark in der Tradition der Sozialrevolutionäre der 1880er-Jahre stand. Sie bekannte sich zur Anarchie als zu erstrebendem Ideal. Hervorgetreten ist sie vor allem mit selbst hergestellten Flugblättern. Bereits im Mai 1891 erschien das Flugblatt »Was thun?«, gezeichnet »Es lebe die Anarchie!«.1 Dieses Flugblatt wurde, wie auch die vier folgenden, teils stoßweise in den Straßen Wiens und seiner Vororte ausgestreut, teils auf Hausmauern und in Stiegenhäusern plakatiert. Weiters erschien das Flugblatt »Aufruf«.2 Im Dezember 1892 folgte der Nachdruck eines bereits 1887 erschienenen Flugblatts: »An die Arbeiter im Soldatenrock«, nun allerdings mit dem Zusatz »Es lebe die Soziale revolution [!]«.3 Im Jänner 1893 wurde die »Anweisung zur Herstellung eines Sprengstoffes von bedeutender Stärke«,4 veröffentlicht, gezeichnet »Es lebe die Anarchie«. Schließlich erschien noch der »Aufruf an die österreichische Volksmasse«.5 Urheber dieser Flugblätter waren die Tischlergehilfen Stefan Hanel (~1861–?) und Franz Haspel (1863–1935), welche sie in ihrer Untergrunddruckerei in Wien 5., Siebenbrunnengasse 65, herstellten.

Am 23. September 1893 hob die Polizei dieser Untergrunddruckerei aus, wobei auch eine Bombe und Materialien zur Herstellung von Bomben gefunden wurden. Am 23. und 24. September 1893 sowie am 28. September 1893 wurden in diesem Zusammenhang mehrere Sozialrevolutionäre verhaftet und fünfzehn von ihnen in das Landesgericht Wien eingeliefert. Vom 19. bis 23. Februar 1894 fand vor dem Landes- als Schwurgericht Wien unter Ausschluss der Öffentlichkeit der große so genannte Anarchistenprozess gegen vierzehn Sozialrevolutionäre statt. Nicht dabei war bei diesem Prozess Simon Radl.

Wie die Erhebungen für diesen Prozess ergaben, war Simon Radl ein wichtiger Beteiligter an dieser sozialrevolutionären Gruppe. So habe er in der Restauration am Matzleinsdorfer Frachtenbahnhof im Frühjahr 1891 den Text »Anweisung zur Herstellung eines Sprengstoffes von bedeutender Stärke« vorgelesen und nach dem Beschluss von dessen Drucklegung Gelder gesammelt. Desgleichen habe er im Frühjahre 1892 in einem Gasthaus in Wien 10. den Text des Artikels »An die Arbeiter im Soldatenrock«, welcher dann ebenfalls als Flugblatt gedruckt wurde. Am 31. Oktober 1893 wurden Radl und der ebenfalls flüchtige Maurer Josef Nastoupil (1860–?) vom Landesgericht Wien zur Fahndung ausgeschrieben: »4315 Radl Simon, zu Sangerberg in Böhmen geb., 31 J. alt, k., v., mittelgr., kräftig, gut aussehend, mit dunkelbld. Schnurrb., zuletzt in Wien, V. Bez. wohnh., u. 4316 Nastoupil Josef [...] sind weg. des Verbr. des Hochverrathes §. 58 c St.-G., des Verbr. der Störung der öffentl. Ruhe §. 65 a u. b St.-G., der Verbr. nach §§. 5, 6, 8 des Ges. v. 27/5. 1885, R.-G.-Bl. Nr. 134 u. des Vergeh. nach Art. III des Ges. v. 17/12. 1862, R.-G. Bl. Nr. 8 ex 1863, anh. einzulief. Land.-Ger. Wien 31/10. 93.«6

Nachdem die Polizei die Untergrunddruckerei am 23. September 1893 ausgehoben hatte, flüchtete Simon Radl noch am 23. oder 24. September 1893 und ging nach Paris (Frankreich) ins Exil, wo er sich weiterhin in der anarchistischen Bewegung engagierte.

Karte
  • 1

    Vgl. [anonym]: Was thun? [Wien]: [Stefan Hanel und Franz Haspel] [1891], unpaginiert (2 Seiten). Die Weiterverbreitung der Druckschrift wurde mit Erkenntnis des Landes- als Pressgericht Wien vom 5. Mai 1891 in Österreich verboten.

  • 2

    Vgl. [anonym]: Aufruf. [Wien]: [Stefan Hanel und Franz Haspel] [1892], unpaginiert (2 Seiten).

  • 3

    Vgl. [anonym]: An die Arbeiter im Soldatenrock! [Wien]: [Stefan Hanel und Franz Haspel] [1892], Flugblatt; Fundort: Verein für Geschichte der Arbeiterbewegung, Wien, Flugblattsammlung Lade 9, Mappe 12. Zum alten Flugblatt vgl. [anonym]: An die Arbeiter im Soldatenrock! [London]: [Druckerei der Zeitung »Die Autonomie«] [1887], Flugblatt; Sonderdruck aus der Zeitung »Die Autonomie« (London), 1. Jg., Nr. 1 (6. November 1886), S. 2–3, weshalb die Weiterverbreitung der Zeitung mit Erkenntnis des Landes- als Pressgericht Wien vom 17. November 1886 in Österreich verboten wurde. Die Weiterverbreitung des Flugblattes selbst wurde mit Erkenntnis des Landes- als Pressgericht Wien vom 14. März 1887 in Österreich verboten.

  • 4

    Vgl. [anonym]: Anweisung zur Herstellung eines Sprengstoffes von bedeutender Stärke. [Wien]: [Stefan Hanel und Franz Haspel] [1893], unpaginiert (2 Seiten); Fundort: Verein für Geschichte der Arbeiterbewegung, Wien, Flugblattsammlung Lade 9, Mappe 12. Die Weiterverbreitung der Druckschrift wurde mit Erkenntnis des Landes- als Pressgericht Wien vom 30. Jänner 1893 in Österreich verboten.

  • 5

    Vgl. [anonym]: Aufruf an die österreichische Volksmasse. [Wien]: [Stefan Hanel und Franz Haspel] [1893], unpaginiert (1 Seite, jedoch zum Falten gedacht); Fundort: Verein für Geschichte der Arbeiterbewegung, Wien, Flugblattsammlung Lade 9, Mappe 12.

  • 6

    [Anonym]: 4315 Radl Simon, in: Central-Polizei-Blatt. Herausgegeben von der k. k. Polizei-Direktion zu Wien (Wien), Nr. 76 (17. November 1893), S. 301.