Josef Tuma

Persönliche Daten
Namensvarianten
tschechische Namensform: Josef Tůma
Berufe
Biographie

Josef Tuma absolvierte eine Schuhmacherlehre und kam als Schuhmachergehilfe nach Italien. Von dort ausgewiesen, kam er nach Wien, wo er sich der am 7. August 1892 konstituierten Partei der unabhängigen Socialisten anschloss. Diese hatten seit 27. August 1892 auch ein eigenes Organ, die Zeitung »Die Zukunft« (Wien). Gleich nach dem Erscheinen deren erster Nummer fanden bei mehreren Unabhängigen Socialisten in Wien Hausdurchsuchungen statt, darunter auch bei Josef Tuma. Vom April bis Oktober 1893 zeichnete Tuma, der als Tscheche nur mangelhaft Deutsch sprach, auch als verantwortlicher Schriftleiter dieser Zeitung. Am 15. September 1892 fand in Wien der Prozess statt. Josef Tuma wurde wegen der bei ihm im Zuge der Hausdurchsuchung gefundenen Exemplare der anarchistischen Zeitung »Der Sozialist« (Berlin) zu sechs Tagen Arrest, eventuell 6 Gulden Geldstrafe, verurteilt.

Wohl um diese Zeit schloss sich Josef Tuma jener Gruppe von Sozialrevolutionären an, die – sich teilweise personell mit den Unabhängigen Socialisten überschneidend – noch sehr stark in der Tradition der Sozialrevolutionäre der 1880er-Jahre stand. Sie bekannte sich zur Anarchie als zu erstrebendem Ideal. Hervorgetreten ist sie vor allem mit selbst hergestellten Flugblättern. Bereits im Mai 1891 erschien das Flugblatt »Was thun?«, gezeichnet »Es lebe die Anarchie!«.1 Dieses Flugblatt wurde, wie auch die vier folgenden, teils stoßweise in den Straßen Wiens und seiner Vororte ausgestreut, teils auf Hausmauern und in Stiegenhäusern plakatiert. Weiters erschien das Flugblatt »Aufruf«.2 Im Dezember 1892 folgte der Nachdruck eines bereits 1887 erschienenen Flugblatts: »An die Arbeiter im Soldatenrock«, nun allerdings mit dem Zusatz »Es lebe die Soziale revolution [!]«.3 Im Jänner 1893 wurde die »Anweisung zur Herstellung eines Sprengstoffes von bedeutender Stärke«,4 veröffentlicht, gezeichnet »Es lebe die Anarchie«. Schließlich erschien noch der »Aufruf an die österreichische Volksmasse«.5 Urheber dieser Flugblätter waren die Tischlergehilfen Stefan Hanel (~1861–?) und Franz Haspel (1863–1935), welche sie in ihrer Untergrunddruckerei in Wien 5., Siebenbrunnengasse 65, herstellten.

Am 23. September 1893 hob die Polizei dieser Untergrunddruckerei aus, wobei auch eine Bombe und Materialien zur Herstellung von Bomben gefunden wurden. Am 23. und 24. September 1893 sowie am 28. September 1893 wurden in diesem Zusammenhang mehrere Sozialrevolutionäre verhaftet und fünfzehn von ihnen in das Landesgericht Wien eingeliefert. Vom 19. bis 23. Februar 1894 fand vor dem Landes- als Schwurgericht Wien unter Ausschluss der Öffentlichkeit der große so genannte Anarchistenprozess gegen vierzehn Sozialrevolutionäre statt. Nicht dabei war bei diesem Prozess Josef Tuma.

Wie die Erhebungen für diesen Prozess ergaben, war Josef Tuma ein angeblich wichtiger Beteiligter an dieser sozialrevolutionären Gruppe. Nachdem die Polizei die Untergrunddruckerei am 23. September 1893 ausgehoben hatte, wurde am 28. September 1893 bei Josef Tuma eine Hausdurchsuchung durchgeführt. Dieser war nicht anwesend, sondern war vermutlich noch am 23. oder 24. September 1893 aus Wien ins Exil geflüchtet.

Karte
  • 1

    Vgl. [anonym]: Was thun? [Wien]: [Stefan Hanel und Franz Haspel] [1891], unpaginiert (2 Seiten). Die Weiterverbreitung der Druckschrift wurde mit Erkenntnis des Landes- als Pressgericht Wien vom 5. Mai 1891 in Österreich verboten.

  • 2

    Vgl. [anonym]: Aufruf. [Wien]: [Stefan Hanel und Franz Haspel] [1892], unpaginiert (2 Seiten).

  • 3

    Vgl. [anonym]: An die Arbeiter im Soldatenrock! [Wien]: [Stefan Hanel und Franz Haspel] [1892], Flugblatt; Fundort: Verein für Geschichte der Arbeiterbewegung, Wien, Flugblattsammlung Lade 9, Mappe 12. Zum alten Flugblatt vgl. [anonym]: An die Arbeiter im Soldatenrock! [London]: [Druckerei der Zeitung »Die Autonomie«] [1887], Flugblatt; Sonderdruck aus der Zeitung »Die Autonomie« (London), 1. Jg., Nr. 1 (6. November 1886), S. 2–3, weshalb die Weiterverbreitung der Zeitung mit Erkenntnis des Landes- als Pressgericht Wien vom 17. November 1886 in Österreich verboten wurde. Die Weiterverbreitung des Flugblattes selbst wurde mit Erkenntnis des Landes- als Pressgericht Wien vom 14. März 1887 in Österreich verboten.

  • 4

    Vgl. [anonym]: Anweisung zur Herstellung eines Sprengstoffes von bedeutender Stärke. [Wien]: [Stefan Hanel und Franz Haspel] [1893], unpaginiert (2 Seiten); Fundort: Verein für Geschichte der Arbeiterbewegung, Wien, Flugblattsammlung Lade 9, Mappe 12. Die Weiterverbreitung der Druckschrift wurde mit Erkenntnis des Landes- als Pressgericht Wien vom 30. Jänner 1893 in Österreich verboten.

  • 5

    Vgl. [anonym]: Aufruf an die österreichische Volksmasse. [Wien]: [Stefan Hanel und Franz Haspel] [1893], unpaginiert (1 Seite, jedoch zum Falten gedacht); Fundort: Verein für Geschichte der Arbeiterbewegung, Wien, Flugblattsammlung Lade 9, Mappe 12.