Wilhelm Goldschmiedt (1863–)
Persönliche Daten
Biographie
Wilhelm Goldschmiedt absolvierte eine Setzerlehre und arbeitete als Schriftsetzer in Wien, wo er sich der radicalen Arbeiterbewegung anschloss. Er war in den Jahren 1885 und 1886 eine wichtige Kontaktperson zu den Radicalen in der Steiermark.
Am 1. März 1886 wurde ein in Graz (Steiermark) abgesandtes, an den Holzdrechslergehilfen Johann Schindelař (1864–?) in Wien adressiertes Paket auf dem Wiener Hauptzollamt beschlagnahmt. Dessen Inhalt wurde als Leinen deklariert, enthielt aber nur sechshundertsiebenundachtzig Exemplare der Zeitung »Die Arbeit« (Graz). Als der Maschinenschlosser Anton Krausenecker das Paket abholen wollte, wies dieser die ihn erwartende Polizei darauf hin, dass er das Paket im Auftrag von Johann Schindelař abholen sollte. Im Zuge einer Hausdurchsuchung bei Johann Schindelař in Ottakring (Niederösterreich [zu Wien 18.]) wurden zahlreiche Exemplare verbotener Druckschriften, Patronen und Patronenhülsen, Chemikalien, eine Elektrisiermaschine, Metallplatten, Lettern und eine Druckerwalze gefunden, weshalb die Polizei die geplante Einrichtung einer geheimen Druckerei vermutete. Außerdem fand die Polizei über der Drehbank von Johann Schindelař das Porträt des Sozialrevolutionärs Hermann Stellmacher (1853–1884) aus der Zeitung »Illustrirtes Wiener Extrablatt« (Wien) aufgehängt. Im Zuge der Hausdurchsuchung stellte sich auch heraus, dass es sich bei dem in demselben Kabinett gemeldeten, aber dort nicht wohnenden angeblichen Bruder »Wilhelm Schindelař« tatsächlich um den Schriftsetzer Wilhelm Goldschmiedt (1863–?) handelte. Beide wurden sofort verhaftet und ins Landesgericht Wien eingeliefert.
Am 2. August 1886 fand vor dem Landes- als Erkenntnisgericht Wien der Prozess gegen Wilhelm Goldschmiedt und Johann Schindelař statt, angeklagt des Vergehens der Geheimbündelei sowie der Übertretungen der unbefugten Kolportage und Falschmeldung. Der unbefugten Kolportage wurden die beiden verdächtigt, weil in der Wohnung von Schindelař jene Stampiglie mit der Aufschrift »Für Wien 7 kr.« gefunden wurde, mit welcher die nur für Wien bestimmten Exemplare der Zeitung »Die Arbeit« abgestempelt worden waren. Im Laufe des Prozesses trat der Staatsanwalt bei Wilhelm Goldschmied von der Anklage der unbefugten Kolportage zurück. Ansonsten wurden die nur teilweise geständigen Wilhelm Goldschmied und Johann Schindelař im Sinne der anderen Anklagepunkte zu je zwei Monaten strengem Arrest verurteilt, Schindelař zusätzlich wegen unbefugter Kolportage zu 50 Gulden Geldstrafe, eventuell zehn Tage Arrest. Außerdem wurde Goldschmiedt nach Verbüßung seiner Haftstrafe aufgrund der Ausnahmsverordnungen vom 30. Jänner 1884 am 3. Oktober 1886 aus dem Wiener Polizeirayon ausgewiesen und unter polizeiliche Überwachung gestellt: »3717 Goldschmiedt Wilhelm, Schriftsetzer, zu Nikolsburg in Mähren am 15/12. 1863 geb., dahin zust., Isr., l., 157.5cm gr., mit 165.5cm Armspannweite, oval. Ges., br., aufwärts stehenden H., br. Aug. u. Augenbr., röthl. Vollb., rund. Kinn, plattgedrückter, zurückstehender Stirne, deutsch sprechend, vom h. o. Land.-Ger. am 2. August d. J. von der Uebertr. nach §. 23 Preß-Ges. freigesprochen, dagegen weg. Vergehens nach §§. 285, 286, 287 c St.-G. u. Uebertr. nach §. 320 e St.-G. mit 2monatl. Arreste u. Abschaffung aus dem Wr. Pol.-Rayon abgestraft (m. h. ä. Erk. v. 3. Oktober 1886, Z. 5067 pr.) [...]. Pol.-Dion. Wien 12/10. 86.«1
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Autor: Reinhard Müller
Version: April 2025
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