Simon Wucherer (1870–1944)

Persönliche Daten
Geburtsdatum
28. März 1870
Sterbedatum
19. Oktober 1944
Religionsbekenntnis
römisch-katholisch, dann konfessionslos
Berufe

Mutter: Agnes Wucherer (Oberfederaun [zu Villach / Beljak], Kärnten 16. Juli 1835 – ?), Tochter einer Inwohnerin und eines Inwohners: ledige Dienstmagd
Vater: unbekannt
Schwester: Mathilde Wucherer (Wöllan, Steiermark [Velenje, Slownien] 31. März 1863 – ?)
Bruder: Florian Wucherer (Afritz am See / Zobrce, Kärnten 26. April 1868 – ?)
Schwester: Juliana Wucherer (Kraa [zu Afritz am See / Zobrce], Kärnten 23. April 1874 Kraa [zu Afritz am See / Zobrce], Kärnten 28. Mai 1874)
Ehe: mit Margarida [?]
Kinder: keine

Biographie

Simon Wucherer, nach St. Martin / Šmartno pri Beljaku [zu Villach / Beljak] (Kärnten) zuständig, war ein talentierter Schüler. Er absolvierte dann eine Lehre als Buchbinder. Er durchwanderte danach als Buchbindergehilfe die Schweiz, wo er sich in Basel / Bâle / Basilea (Kanton Basel-Stadt), Bern / Berne / Berna (Kanton Bern), Zürich / Zurich / Zurigo (Kanton Zuürich) aufhielt, zog dann nach Paris (Frankreich) und über Straßburg (Elsaß-Lothringen [Strasbourg, Frankreich]) nach Südbayern. Schließlich ließ er sich als Buchbindergehilfe in Villach / Beljak (Kärnten) nieder, wo er sich der radicalen Arbeiterbewegung anschloss. Im Dezember 1888 wurde er anlässlich des Besitzes revolutionärer Druckschriften wegen Vergehens gegen das Pressegesetz in Villach / Beljak in Untersuchungshaft genommen. Bereits im April 1891 wurde Wucherer wegen der Verbrechen des Hochverrats und der Majestätsbeleidigung neuerlich verhaftet und erst nach fünzehn Wochen im August 1891 aus der Untersuchungshaft entlassen. Er wurde dann allerdings wegen Verbrechens der Majestätsbeleidigung zu drei Monaten schwerem Kerker verurteilt.

Nach seiner Haftentlassung ließ sich Simon Wucherer, übrigens ein Vegetarier, als Buchbindergehilfe, Speik- und Branntweinhändler in Untertweng [zu Radenthein] (Kärnten) nieder. Hier wurde er im März 1894 wegen Besitzes revolutionärer Druckschriften neuerlich verhaftet und nach Villach / Beljak eingeliefert und dann nach Klagenfurt / Celovec überstellt. Der Tischlergehilfe Franz Egger (1859–1935) hatte ihm von Villach / Beljak aus ein als »Wirkwaren« deklariertes Paket mit achtundneunzig Exemplaren der in Österreich verbotenen Schrift »An die jungen Leute« (Berlin 1893) von Pjotr Alexejewitsch Kropotkin ‹Пётр Алексеевич Кропоткин› (1842–1921) übersandt.1 Bei der Haudurchsuchung konnte Wucherer noch einen Brief aufessen, doch wurden bei ihm zahlreiche verbotene Druckschriften gefunden. Auch Egger wurde am 24. April 1894 – in Ketten gelegt – nach Klagenfurt / Celovec gebracht. Am 28. Mai 1894 musste sich der in Untersuchungshaft befindliche Simon Wucherer vor dem Bezirksgericht Klagenfurt wgen Vergehens der Amtsehrenbeleidigung verantworten, wobei der Prozess unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfand. Als einen seiner drei Vertrauensleuten bestimmte Wucherer den Taglöhner Friedrich Preschern (~1849–1919), ein exponierter Unabhängiger Socialist. Wegen der in Briefen an seine Mutter getätigten, angeblich ehrenrührigen und unwahren Äußerungen über das Landesgericht Klagenfurt wurde Wucherer zu sechs Wochen strengem Arrest verurteilt.

Am 19. und 20. Juni 1894 fand der Prozess gegen beide vor dem Landes- als Schwurgericht Klagenfurt statt. Egger und Wucherer wurden des Vergehens der Aufreizung zu Feindseligkeiten gegen Nationalitäten, Religionsgemeinschaften und Körperschaften sowie der öffentlichen Herabwürdigung der Ehe, der Familie usw. sowie des Vergehens gegen das Pressegesetz angeklagt. Egger, der sich vor Gericht als »theoretischer Anarchist« bekannte, wurde mit sieben gegen fünf Stimmen freigesprochen, Wucherer, der sich ebenfalls als »theoretischer Anarchist« bezeichnete und im Verhör auf den »religiösen Anarchisten« Lew Nikolajewitsch Tolstoi ‹Лев Николаевич Толстой› (1828–1910) verwies, wegen Vergehens der Störung der öffentlichen Ruhe und nach dem Pressgesetz zu drei Monaten strengem Arrest und 50 Gulden Geldstrafe verurteilt. Nach seiner Haftentlassung dürfte sich Simon Wucherer aus der Arbeiterbewegung weitgehend zurückgezogen haben.

Simon Wucherer verließ 1900 Afritz am See / Zobrce (Kärnten) und begab sich nach Brasilien, wo er sich in São Paulo (Brasilien) niederließ und wieder als Buchbinder arbeitete. Im Jänner 1922 versuchte er, Kontak mit Familienangehörige in seiner alten Heimat aufzunehmen.2

Adressen

  • Afritz am See / Zobrce, Kärnten, Afritz 22 (Geburtsadresse)
Karte
  • 1

    Vgl. [Pjotr Alexejewitsch Kropotkin ‹Пётр Алексеевич Кропоткин› (1842–1921)]: An die jungen Leute. Berlin: Herausgegeben von Albert Brock, gedruckt von W. Werner [1893] (= Anarchistische Bibliothek. 2.), 15 S. Die Weiterverbreitung der Druckschrift wurde mit Erkenntnis des Kreis- als Pressgericht St. Pölten vom 1. Dezember 1893 in Österreich verboten.

  • 2

    Vgl. Simon Wucherer: Der im Jahre 1900 aus Feld am See in Kärnten ausgewanderte [], in: Klagenfurter Zeitung (Klagenfurt), 146. Jg., Nr. 12 (15. Jänner 1922), S. 81.