02.00.01 Die Organisation der »Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Österreichs« 1879 bis 1884

Die Organisation der »Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Österreichs« blieb in ihrer Grundstruktur von Mitte der 1870er-Jahre bis zur Verhängung des Ausnahmezustands im Jänner 1884 – und vermutlich noch länger – unverändert, gilt also auch für die Zeit der radicalen Arbeiterbewegung.

Die Basis bildete die von den Genossen – und im Ausnahmefall auch von den Genossinnen – eines Orts gewählte Lokalorganisation, auch Ortsleitung und seit Dezember 1880 öffentliche Parteileitung genannt, welche im Regelfall rein gewerkschaftlich agierte.

Die gewählte Lokalleitung der Lokalorganisation entsandte jene Delegierten, die dann die Provinzleitung wählten und auch festlegten, in welchem Ort sich die Provinzleitung befinden sollte. Die dortige Lokalleitung übernahm dann die Aufgaben einer Provinzleitung. Nur die Provinzleitung war zur Kontaktnahme mit der Zentralleitung der Partei befugt.

Die Zentralleitung, auch Zentralkomitee genannt, wurde wiederum auf einem Kongress von den Delegierten der Provinzleitungen – und teilweise auch der Lokalorganisationen – gewählt.

Der Zentralleitung stand eine ebenfalls auf den Kongressen festgelegte Kontrollkommission, auch Kontrollkomitee genannt, zur Seite.

Umgekehrt betrachtet standen also an der Spitze der Partei die Zentralleitung und die Kontrollkommission, welchen die Provinzleitungen und diesen wiederum die Lokalorganisationen unterstanden.

Auf Ebene der Lokalorganisationen wurden seit 1880 spezielle Komitees gebildet, meist Agitations- und / oder Exekutivkomitees genannt. Das in geheimer Wahl von den Mitgliedern der Lokalorganisation gewählte Komitee sollte den Vertrieb der Zeitung »Die Zukunft« (Wien) besorgen, die Redaktionen der Partei- und Fachzeitungen überwachen, die Inhaftiertenfonds und Unterstützungsfonds verwalten, öffentliche Versammlungen einberufen und leiten.

Die gesamte Organisation der »Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Österreichs« wies drei Typen auf. Zunächst gab es die öffentliche Parteiorganisation, dann die parallel öffentliche und nichtöffentliche Organisation, schließlich die geheime Organisation, weshalb man seit 1879 auch von geheimen Clubs sprach. Diese Reihung entsprach zwar nicht immer, aber im Regelfall der historischen Entwicklung der Organisation der »Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Österreichs«. Erst mit dem so genannten Einigungsparteitag von Hainfeld (Niederösterreich), 30. Dezember 1888 bis 1. Jänner 1889, wurde wieder die ausschließlich öffentliche Organisation der Partei grundgelegt.

Ähnliches gilt auch für die am 7. April 1878 in Breunau (Böhmen [Břevnov, zu Praha, Tschechien]) gegründete »Sociálně-demokratická strana českoslovanská v Rakousku« (Tschechoslawische sozial-demokratische Arbeiterpartei in Österreich) und die am 16. und 17. Mai 1880 in Budapest (Ungarn) konstituierte »Magyarországi Általános Munkáspárt« (Ungarische Allgemeine Arbeiterpartei).

Hier sei auch darauf hingewiesen, dass für die Organisation der Partei die Zeitungen zumindest bis zum erwähnten so genannten Einigungsparteitag von Hainfeld eine wichtige Funktion hatten. Allerdings blieben für Anarchistinnen und Anarchisten nicht zuletzt wegen ihrer Ablehnung von Parteien oder parteiähnlichen Organisationen Zeitungen und Zeitschriften auch späterhin ein wichtiges Organisationsmoment.

 

Autor: Reinhard Müller
Version: August 2024
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