Franz Blazek (1878–)
Persönliche Daten
Familienverhältnisse
Bruder: Reginald Blažek (Wien um 1869 – ?), Malergehilfe in Wien
Biographie
Franz Blazek ging nach seiner Ausbildung zum Schneidergehilfen in Wien in die Schweiz, wo er sich um 1905 in Zürich / Zurich / Zurigo (Kanton Zürich, Schweiz) der anarchistischen Gruppe um die Zeitschrift »Der Weckruf« (Zürich) anschloss und in der er unter anderem unter dem Pseudonym »Franz Rungg« publizierte. Er trat auch unter dem Decknamen »Daller« als Redner auf. Blazek prägte mit seiner radikalen Sprache eine Zeit lang die Zeitschrift. Am 16. Juni 1906 startete die Polizei eine Reihe von Hausdurchsuchungen und nahm zwölf Aktivisten der »Weckruf«-Gruppe fest, darunter Franz Blazek, in dessen Wohnung chemische Stoffe zur Anfertigung von Bomben sowie schriftliche Anleitungen zur Herstellung derselben gefunden wurden. Als Hauptangeklagter wurde er wegen Vergehens gegen das schweizerische Sprengmittelgesetzt am 7. November 1906 zu einem Jahr Gefängnis und lebenslänglicher Verweisung aus der Schweiz verurteilt.
Im Gefängnis schrieb Franz Blazek den Roman »Das Feuer« und den literarischen, in Form einer Autobiografie verfassten Text »Aus Golgathas Philosophie. Psychologische Studie«. Letztgenannten Text schickte er noch aus dem Gefängnis heraus an den Arzt und Sexualwissenschaftler Magnus Hirschfeld (1868–1935), der ihn an den Arzt und Sexualwissenschaftler Iwan Bloch (1872–1922) weitersandte. Letzterer veröffentlichte den Text als Selbstdarstellung eines in Warschau ‹Warszawa / Варшава› (Königreich Polen, de facto Russland [Warszawa, Polen]) verhafteten, jedoch vor der Erschießung als Psychopath internierten russischen Anarchisten »N. K.« als medizinisches Dokument unter dem Titel »Ein Beitrag zur Psychologie der russischen Revolution (Entwicklungsgeschichte eines algolagnistischen Revolutionärs)«.1
Franz Blazek, der im November 1907 aus dem Gefängnis entlassen wurde und sich dann in Paris (Frankreich) niederließ, entdeckte 1909 die Veröffentlichung zufällig und wollte dafür 5.000 Mark Honorar und Anerkennung als Autor, was ihm aber verweigert wurde. Seine Anzeige wegen Verletzung seines Autorenrechts wurde nach eineinhalb Jahren 1911 abgewiesen und der Text als medizinisches Dokument anerkannt. Der aus Ungarn stammende anarchistische Damenschneider und Verleger Hans Zepp (1889–1967) veröffentlichte 1912 Blazeks im Gefängnis verfassten Roman »Das Feuer«, für dessen Bewerbung er sich auch brieflich an Rudolf Großmann alias Pierre Ramus (1882–1942) wandte;2 in dem Pierre Ramus unterstellten Diebstahl der Bücher und Broschüren der Züricher Weckruf-Gruppe (so genannte Broschürenaffäre) 1908 hatte sich Blazek neutral verhalten. Blazek verbrachte wegen seiner schweren Lungenerkrankung – der linke Lungenflügel war nicht mehr funktionsfähig – über ein Jahr in Krankenhäusern in Paris und Versailles (Frankreich). Bei Beginn des Ersten Weltkriegs wurde er im Lager in Cahors (Département du Lot, Frankreich) interniert. Da es ihm gelang, sich als tschechischer Staatsbürger auszugeben, wurde er am 1. April 1915 unter polizeilicher Aufsicht aus dem Lager entlassen. Seither war er als Buchhalter im Büro des Militärkrankenhauses in Cahors geringfügig beschäftigt. Hier arbeitete Blazek 1917 bis 1919 an einem Werk über die analytische Geometrie.
Adressen
Wien 15., Gablenzgasse 26/3/36 (1906)
Publikationen
Bücher und Broschüren
Sexualwissenschaft und Sexualbluff der Herren Dr. Magnus Hirschfeld und Dr. Iwan Bloch in Berlin. Paris: Impr. »La Productrice« 1911, 8 S.
Das Feuer. Sexual-psychologischer Roman in zwei Teilen. Buchschmuck: sieben illustrative Gedanken von Charles de Tholey. Paris: Pariser Verlagsanstalt Hans Zepp 1912, 225 S. Illustrator: Charles Barclay de Tholey (1891–1917). Das Druckwerk wude vom Landesgericht 1 Berlin im Juli 1913 beschlagnahmt und dessen Weiterverbreitung verboten.
Mitarbeiter*innen an Periodika
Neue Freie Worte (Wien) 1912
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Autor / Version / Copyleft
Autor: Reinhard Müller
Version: August 2024
Anarchistische Bibliothek | Archiv | Institut für Anarchismusforschung | Wien
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Karte
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Vgl. N. K.: Ein Beitrag zur Psychologie der russischen Revolution (Entwicklungsgeschichte eines algolagnistischen Revolutionärs), in Iwan Bloch: Das Sexualleben unserer Zeit in seinen Beziehungen zur modernen Kultur. Berlin: Louis Marcus Verlagsbuchhandlung 1907, S. 646–668. Es ist dies eine durch Weglassungen leicht veränderte Version von Franz Blazeks »Aus Golgathas Philosophie. Psychologische Studie«. Das Werk wurde vom schweizerisch-französischen Schriftsteller Blaise Cendrars (1887–1961) unter dem Titel »La philosophie de Golgotha« ins Französische übersetzt, veröffentlich in: Violence et sacré. Paris: Honoré Champion 2006 (= Continent Cendrars. 12.), S. 19–52.
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Vgl. die Korrespondenz im Nachlass Pierre Ramus, Mappen 66, 71 und 184, im Internationaal Instituut voor Sociale Geschiedenis, Amsterdam. Vgl. auch [Rudolf Großmann alias Pierre Ramus (1882–1942)]: Briefkasten. [/] Blazek, in: Wohlstand für Alle (Wien), 5. Jg., Nr. 11 (12. Juni 1912), S. [8], und [Rudolf Großmann alias Pierre Ramus (1882–1942)]: Briefkasten. [/] Blazek, Riethmann, in: Wohlstand für Alle (Wien), 5. Jg., Nr. 14 (24. Juli 1912), S. [8].