Olga Misař (1876–1950)

Persönliche Daten
Namensvarianten
geborene Olga Popper
auch: Olga Misar
Geburtsdatum
11. Dezember 1876
Geburtsort
Sterbedatum
8. Oktober 1950
Religionsbekenntnis
israelitisch, seit 1899 evangelisch (A. B.)

Vater: Dittrich David Popper; auch: Dietrich Popper (Vágújhely / Neustadt an der Waag, Ungarn [Nové Mesto nad Váhom, Slowakei] 16. April 1845 – Wien 27. Mai 1925): Kaufmann, Gesellschafter der protokollierten Firma »A. Popper Söhne & Latzko«, Wien, Theresienstraße 10, dann Inhaber einer Handelsagentur; Heirat mit:
Mutter: Friederike Popper, geborene Engelsmann ( Gyöngyöshalász, Ungarn 27. Dezember 1854 – Wien 20. Mai 1929), Tochter einer Hausfrau und eines Arztes: Hausfrau
Bruder: Alfred Julius Popper (Wien 15. Juni 1875 – Wien 11. Dezember 1875)
Schwester: Martha Sorer Popper, verheiratete Rosenwald (Brünn, Mähren [Brno, Tschechien] 22. Dezember 1877 – ?)
Bruder: Georg Popper (Wien 17. April 1885 – ?)
Ehe: am 30. März 1899 mit Wladimir Misař; auch Vladimir Misař (Neuhaus, Böhmen [Jindřichův Hradec, Tschechien] 24. Februar 1872 – Wien 25. Juli 1963): Dr. phil. (Astronomie), Realschulprofessor für Mathematik und Physik, Freimaurer und Friedensaktivist
Tochter: Olga Misař, verheiratete Schwarz (Wien 6. März 1900 – London, England 23. Oktober 1953): Dr. phil. (Botanik), Botanikerin
Tochter: Vera Misař (Wien 6. März 1900 – Wien 29. Dezember 1935): Dr. phil. (Botanik)

Biographie

Olga Misař wuchs in Wien auf, lebte dann aber 1887 bis 1894 sich in England. Nach Wien zurückgekehrt, verdient sie sich ihren Lebensunterhalt zunächst durch Englischunterricht. Am 30. März 1899 heiratete sie den engagierten Freimaurer und Friedensaktivisten sowie Realschulprofessor für Mathematik und Physik Dr. phil. Wladimir Misař (1872–1963). Am 29. Februar 1908 trat Olga Misař erstmals öffentlich als Rednerin auf, im »Frauenverein ›Diskutierklub‹« , dessen Vorstand sie seit Jänner 1910 angehörte. Vom September 1911 bis Februar 1913 war sie verantwortliche Redakteurin des Vereinsorgans »Mitteilungen des Österr(eichischen) Bundes für Mutterschutz« (Wien) und war seither als freie Schriftstellerin, Journalistin und Übersetzerin tätig, verfasste vor allem Artikel über Mutterschutz und das Frauenstimmrecht. Sie nahm am Internationalen Kongress der Frauen für den Frieden in Den Haag / ’s-Gravenhage (Niederlande) teil, der vom 28. April bis 1. Mai 1915 stattfand. Ab 1917 war Misař als Vertreterin des radikalen Flügels im Vorstand des bürgerlichen »Allgemeinen Österreichischen Frauenvereins«, ab Oktober 1918 Aktivistin der »Radikaldemokratischen Unabhängigkeitspartei« des ehemaligen Reichsratsabgeordneten und Mitglieds der Provisorischen Nationalversammlung, Schriftstellers und Anarchismusforschers Ernst Viktor Zenker (1865–1946), mit dem sie damals vorübergehend zusammenlebte. Im Februar 1919 kandidierte Misař erfolglos bei den Wahlen zur Konstituierenden Nationalversammlung für Zenkers Nachfolgepartei »Demokratische Mittelstandspartei«.

Von bürgerlicher wie radikaler Parteipolitik enttäuscht, wurde Olga Misař Im April 1919 Obmann-Stellvertreterin der »Anarchistischen Vereinigung der geistigen Arbeiter« (später »Herrschaftslos-sozialistischen Vereinigung geistiger Arbeiter ›Freiheit‹«), im August 1919 schloss sie sich dem »Bund herrschaftsloser Sozialisten« an und wurde Mitarbeiterin an dessen Organ »Erkenntnis und Befreiung« (Wien / Wien – Graz / Graz – Wien – Ludwigshafen / Wien – Graz). Während der zweimonatigen Abwesenheit von Rudolf Großmann alias Pierre Ramus (1882–1942), als dieser zum Antimilitaristenkongress nach Holland reiste, übernahm sie gemeinsam mit Kurt Sonnenfeld (1876–1950) vom März bis April 1921 die redaktionelle Leitung der Zeitung »Erkenntnis und Befreiung« (Wien).1Außerdem engagierte sie sich beim österreichischen Zweig der »Internationalen Frauenliga für Frieden und Freiheit«, dessen Vorstand sie ab 1921 angehörte; und arbeitete auch für dessen internationale Dachorganisation »Women’s International League for Peace and Freedom«, bei deren »News-sheet. Nachrichten-Blatt. Bulletin of the Womens International League for Peace and Freedom« (Wien) sie 1922 als Redakteurin fungierte. Ab 1923 war Misař Sekretärin des »Bundes der Kriegsdienstgegner«, dem österreichischen Zweig der »War Resisters’ International«, und gab 1924 das Vereinsorgan »Flugblatt des Bundes der Kriegsdienstgegner Österreichs« (Wien) sowie 1925 bis 1926 dessen Nachfolger »Der Kriegsdienstgegner« (Wien) heraus. Sie war auch Mitinitiatorin der Zweiten Internationalen Konferenz der »War Resisters’ International« in Sonntagberg (Niederösterreich), 27. bis 31. Juli 1928. 1934 wurde der »Bund herrschaftsloser Sozialisten« und 1936 der »Bund der Kriegsdienstgegner« behördlich aufgelöst. Nachdem der »Bund herrschaftsloser Sozialisten« 1934 sein Ende gefunden hatte und im Juni 1936 der »Bund der Kriegsdienstgegner« als sozialistischer Verein behördlich aufgelöst wurde, hatte Olga Misař ihre wichtige organisatorische Basis verloren. 

Im April 1939 emigrierte Olga Misař mit ihrem Ehemann nach England, wo sie in Huddersfield und Enfield lebte. Kurz vor ihrer geplanten Rückkehr nach Österreich verstarb Misař im Exil.

Adressen

  • Wien 9., Peregringasse 3 (Geburtsadresse)
  • Wien 4., Starhemberggasse 47 (1911 bis 1939; letzte Wiener Wohnadresse)

Bücher und Broschüren

  1. Gewalt oder Verständigung. Wien: Verlag des Allgemeinen Österreichischen Frauenvereines [1917] (= »Friedenshefte« des Allgemeinen Österreichischen Frauen-Vereines. 2.), 16 S. Enthält Stefan Zweig (1881–1942): Die vergeblichen Opfer, S. 1; Helene Stöcker (1869–1943): Gewalt oder Verständigung, S. 1–7; Rosa Mayreder (1858–1938): Die Umwertung des Krieges, S. 7–8; Olga Misar: Die Entwicklung der Friedensideen, S. 8–15; Leopoldine Kulka (1872–1920): Deutscher Militarismus - Englischer Diplomatismus, S. 13–14; Maria Maresch (1886–1970): Vom inneren Aufbau des Friedens, S. 14–16.
  2. Neuen Liebesidealen entgegen. Leipzig – Wien: Anzengruber-Verlag 1919, 59 S.
    b) Neuen Liebesidealen entgegen. 2. Auflage. Leipzig – Wien: Verlagsbuchhandlung Rudolf Cerny 1921, 64 [68] S.
    c) Neue Liebesideale. (51. bis 60. Tausend.) Wien: Rudolf Cerny, Verlag für Literatur, Kunst und Wissenschaft 1947, 83 [100] S. und Schutzumschlag. Erschien unter dem Autorinnennamen »Olga Misar«.
  3. Das Gelöbnis, keinen Waffendienst zu leisten! Rede, gehalten auf dem »Internationalen Frauenkongreß für Frieden und Freiheit«. [Gezeichnet] Olga Misar. [Graz]: »Bund herrschaftsloser Sozialisten« für Steiermark [1922/1923], 6 [8] S. Auf Seite 8 ist – allerdings nur für die Werbung – auch der Verlag »Erkenntnis und Befreiung« in Klosterneuburg bei Wien angegeben. Erschien unter dem Autorinnennamen »Olga Misar«.
  4. Kauft kein Soldatenspielzeug! [Gezeichnet] Olga Misar. [Wien]: [Gesellschaft für Friedenserziehung] [1923] (= Flugblatt der Gesellschaft für Friedenserziehung. 2.), [2] S. Erschien unter dem Autorinnennamen »Olga Misar«.
  5. Kriegsdienstverweigerer in Deutschland und Österreich. Berlin-Nikolassee: Verlag Die Neue Generation [1923], 16 S. Koautorinnen: Martha Steinitz (1889–1966) und Helene Stöcker (1869–1943). Sonderdruck aus: Die Neue Generation. Publikationsorgan des Bundes für Mutterschutz (Berlin), 19. Jg. (1923), Nrn. 1/2, 3/4, 5/6.
    b) Vom Kampf gegen die Gewalt. Die Kriegsdienstverweigerer in Österreich. Berlin: Bund der Kriegsdienstgegner 1923, 8 S. Anonym erschienen. Sonderdruck aus: Neue Generation. Publikationsorgan des Bundes für Mutterschutz (Berlin), 19. Jg. (1923), H. 3/4 (März/April), S. 73ff.
  6. Zur Brandmarkung der notorischen Verleumder: Leopold Spitzer (Beamter der Verkehrskreditbank, Wien I., Schottenring 21) und Eman. Januschka, verantwortl. Redakteur des sozialdemokratischen Quatschblattes »Steyrer Tagblatt« in Steyr! [Gezeichnet] Pierre Ramus. (Verantwortlich als Verleger und Herausgeber: Rudolf Grossmann (Pierre Ramus), Klosterneuburg (bei Wien).) Klosterneuburg: Rudolf Grossmann [Oktober 1925], [2] S., einseitig bedruckt. Enthält auch Bund der Kriegsdienstgegner Österreichs: Erklärung. [Gezeichnet] Olga Misar, J[osef] Roth, Ernst Schimek, Franz Römer, Ad[olf] Hekler.
  7. Tätigkeitsbericht der politischen Gruppe der Frauenliga für Frieden und Freiheit, Sektion Österreich, Wien, I., Tuchlauben 11. [Gezeichnet] Internationale Frauenliga für Frieden und Freiheit. [Wien]: [Politische Gruppe der Frauenliga für Frieden und Freiheit, Sektion Österreich] [1927], [4] S. Anonym erschienen.
  8. Bund der Kriegsdienstgegner Österreichs[:] Tätigkeitsbericht 1929/30. [Wien]: [Bund der Kriegsdienstgegner] [1930], [4] S.
  9. Keine Miliz in Österreich! (Herausgeber: Bund der Kriegsdienstgegner. Für den Inhalt verantwortlich: Olga Misar. Beide: Wien, 4., Starhembergg. 47.) [Wien]: [Bund der Kriegsdienstgegner Österreichs] [Dezember 1932], [2] S. Erschien unter dem Autorinnennamen »Olga Misar«.
  10. Kommt die allgemeine Wehrpflicht? Herausgegeben in englischer, französischer und deutscher Sprache von Der Internationale der Kriegsdienstgegner. (Verlag und für den Inhalt verantwortlich: Olga Misar, Wien IV. Starhemberggasse 47.) Wien: Verlag […] Olga Misar [1933?], [4] S. Herausgeberin. Erschien unter dem Autorinnennamen »Olga Misar«. Enthält von [Olga Misař]: Kommt die allgemeine Wehrpflicht?, S. [2].

Übersetzungen

  1. Erfolge der Kriegsdienstgegner. (Aus der englischen Zeitschrift »Nie wieder Krieg« übersetzt von Olga Misař.) [Wien]: Arbeiterinnen-Gruppe der Frauenliga für Frieden und Freiheit [November 1922], [2] S.). Original in: No more war. Organ of the No More War Movement (the British Section of the War Resisters’ International) (London), 1. Jg. (1922/1923).
  2. John William Graham (1859–1932): Friedenshelden im Weltkrieg. Die Geschichte des Kampfes gegen die allgemeine Wehrpflicht in England von 1916–1919. Übersetzt von Olga Misař. Berlin-Biesdorf: Quäker-Verlag 1926, VIII, 214 S. Original: Conscription and conscience. A history 1916–1919. London [1922].
  3. Gewalt und Gewaltlosigkeit. Handbuch des aktiven Pazifismus. Im Auftrage der Internationale der Kriegsdienstgegner herausgegeben von Franz Kobler. (Einband und Umschlag von Pierre Gauchat.) Zürich – Leipzig: Rotapfel-Verlag A. G. 1928, 388 S. und Schutzumschlag. Herausgeber: Franz Kobler (1882–1965); Illustrator: Pierre Gauchat (1902–1956). Darin Übersetzung durch Olga Misař von Norman Thomas (1884–1968): Notwehr und Verteidigungskrieg (Aus dem Englischen übersetzt von Olga Misař), S. 100–103; M[ohandas] K[aramchand] Gandhi (1869–1948). Die Theorie und Praxis des passiven Widerstandes (Aus dem Englischen übersetzt von Olga Misař), S. 169–171; Arthur Ponsonby (1871–1946): Einleitung (Aus dem Englischen übersetzt von Olga Misař.), S. 287–289. Enthält außerdem den Beitrag von Olga Misař: Die Aufgabe der Frauen, S. 311–313.

Periodika

  1. News-sheet. Nachrichten-Blatt. Bulletin of the Womens International League for Peace and Freedom (Wien), Nr. 2 (1. Dezember 1922), Redakteurin.
  2. Flugblatt des Bundes der Kriegsdienstgegner Österreichs (Wien), 1. Jg. (1924), für den Inhalt Verantwortliche.
  3. Der Kriegsdienstgegner (Wien), 1.–2. Jg. (1925–1926), für den Inhalt Verantwortliche.
  • Revolution! (Wien / Wien – Leipzig – Berlin / Wien – Berlin) 1919
  • Erkenntnis und Befreiung (Wien / Wien – Graz / Graz – Wien – Ludwigshafen / Wien – Graz) 1921
  • News-sheet. Nachrichten-Blatt. Bulletin of the Womens International League for Peace and Freedom (Wien) 1922
  • Flugblatt des Bundes der Kriegsdienstgegner Österreichs (Wien) 1924
  • Der Kriegsdienstgegner (Wien) 1925 bis 1926
Karte
  • 1

    Vgl. »Erkenntnis und Befreiung« (Wien) vom 3. Jg., Nr. 17 (27. März bis 2. April 1921), bis 3. Jg., Nr. 26 (29. Mai bis 4. Juni 1921).