02.07.01. K. K. Landesgericht in Strafsachen: Urtheil und Darstellung der That. [1884]
Urtheil
und
Darstellung der That.1
Hermann Stellmacher, zu Grottkau, Regierungsbezirk Oppeln in Preußisch-Schlesien geboren, 30 Jahre alt, confessionslos, verheiratet, Schuhmacher, bereits während seiner Militär-Dienstzeit dreimal wegen Disciplinarvergehen und außerdem in Vevey in der Schweiz wegen Betruges mit 45 Tagen Haft und 5 Jahren Ehrenverlust bestraft, wurde mit Urtheil des k. k. Landesgerichtes Wien vom 10. Juni 1884, Z. 19207, der Verbrechen des gemeinen Mordes, des theils versuchten, theils vollbrachten meuchlerischen Raubmordes, der schweren körperlichen Beschädigung, dann der Uebertretungen des Diebstahles und der Falschmeldung nach den §§. 134, 135 Z. 1, 2 und 4, 152, 155 b, 320 e und 460 Strafgesetz schuldig erkannt und nach §§. 34, 25, 136 und 13 St. G. zur Strafe des Todes durch den Strang verurtheilt. Diese Strafe wurde wegen nicht eingetretener Begnadigung am heutigen Tage um 5 Uhr an ihm vollzogen.
Hermann Stellmacher, zuletzt in Zürich in der Schweiz wohnhaft, reiste Anfangs Jänner 1884 nach Wien, um daselbst im Interesse der Anarchisten strafbare Angriffe auf das Leben und das Eigenthum Anderer zu unternehmen.
Zunächst hat derselbe in Gesellschaft des österreichischen Deserteurs Anton Kammerer und einer dritten, nicht zu Stande gebrachten Person am 10. Jänner 1884 Abends zwischen 5 und 6 Uhr in der im Hause Nr. 55 auf der Mariahilferstraße befindlichen Wechselstube des Heinrich Eisert an diesem Letzteren, sowie an dessen beiden Söhnen Rudolf und Heinrich, sowie der Sprachlehrerin Caroline Berger, in der Absicht, dieselben zu tödten, und sich sohin mit seinen Genossen der in der Wechselstube befindlichen Werthpapiere zu bemächtigen, Hiebe mit einem Beile geführt, wodurch Rudolf und Heinrich Eisert getödtet wurden und Caroline Berger eine schwere Verletzung erlitt, während Heinrich Eisert sen. durch einen anderen der Raubgenossen durch Beilhiebe getödtet wurde.
Hierauf bemächtigten sich die Raubgenossen einer in der Wechselstube befindlichen Barschaft von circa 3700 fl. und einer Anzahl von Werthpapieren im beiläufigen Werthe von 4000 fl. öst. W.
Am 20. [handschriftliche Korrektur: 25] Jänner 1884 lauerte Hermann Stellmacher in der sogenannten Schottergrube zwischen dem Mühlschüttel und Floridsdorf dem k. k. Polizei-Agenten Ferdinand Blöch, in der eingestandenen Absicht, denselben zu tödten, auf, und tödtete ihn wirklich durch mehrere aus unmittelbarer Nähe abgegebene Revolverschüsse, worauf er von dem Körper des Getödteten weg eine silberne Ankeruhr sammt Kette, Medaillon und Anhängsel und einen Revolver, zusammen im Werthe von 8 fl. 70 kr. öst. W., stahl. Auf der Flucht vom Thatorte, von mehreren Arbeitern verfolgt, feuerte er aus seinem Revolver wiederholt Schüsse ab, und brachte durch einen gegen die Füße des Albert Meloun gerichteten Schuß demselben eine schwere körperliche Beschädigung in der eingestandenen Absicht bei, ihn zur weiteren Verfolgung unfähig zu machen.
K. K. Landesgericht in Strafsachen.
Wien, am 8. August 1884.
Aus der k. k. Hof- und Staatsdruckerei.
- 1
K. K. Landesgericht in Strafsachen: Urtheil und Darstellung der That. [Wien]: Aus der k. k. Hof- und Staatsdruckerei [1884], unpaginiert (1 S.).