Viktor Krüger (1883–1963)

Persönliche Daten
Namensvarianten
das ist . bis 9. Oktober 1903 Victor Kohn
später: Víctor Krüger
später: Víctor Krueger
Geburtsdatum
25. Mai 1883
Geburtsort
Sterbedatum
1963
Religionsbekenntnis
israelitisch, seit 27. Mai 1909 konfessionslos

Vater: Samuel Krüger; d. i. bis 28. Juni 1905 Samuel Kohn (Neu Serowitz, Böhmen [Nové Syrovice, Tschechien] 7. September 1853 – Wien 25. Februar 1933): Dr. med., Arzt; Heirat in Wien am 3. Oktober 1880 mit:
Mutter: Bertha Kohn, geborene Kreissl; seit 28. Juni 1905: Berta Krüger (Wien 7. Juli 1857 – Wien 3. April 1907): Wohltäterin, Präsidentin des »Frauen-Wohltätigkeitsvereins ›Kaiserin Elisabeth-Lehrmädchen- und Arbeiterinnenheim‹«
Schwester: Karoline Mathilde Margarethe Krüger; d. i. bis 28. Juni 1905 Karoline Mathilde Margarethe Kohn (Wien 7. November 1885 – ?): städtische Lehrerin
Schwester: Stella Krüger; d. i. bis 28. Juni 1905 Stella Kohn; verheiratete Wrany (Wien 18. Juni 1887 – ?): Geigenvirtuosin; Heirat standesamtlich in Wien am 2. April 1912 mit Hugo Maria Josef Wrany: Architekt
zweite Ehe des Vaters mit:
Stiefmutter: Josefine Pauline Krüger, geborene Blum, verwitwete Lackenbacher (Szombathely / Steinamanger [Szombathely], Ungarn 1. Jänner 1859 – ?): sie war in erster Ehe verheiratet in Sopron / Ödenburg ([Sopron], Ungarn) am 4. Juli 1881 mit Heinrich Lackenbacher; d. i. Henrik Lackenbacher (Felsőpulya / Oberpullendorf, Ungarn [Oberpullendorf, Burgenland] um 1854 – Baden, Niederösterreich 30. April 1903): Holzhändler
Stiefschwester: »Grete« Margarethe Lackenbacher, verheiratete Székely (Wien 24. März 1895 – ?): Hausfrau; Heirat mit Andreas Székely; d. i. Andor Székely (Budapest, Ungarn 14. Jänner 1884 – ?)
Stiefbruder: Friedrich Lackenbacher (Wien 18. Oktober 1888 –?)
Ehe: mit Emma Wilhelmine Krüger, geborene Schwartz, später verheiratete Widakowitsch-Raubitschek (Wien 9. Juni 1898 – Stockholm, Schweden 10. Jänner 1994): flüchtete 1939 nach Schweden; 1928 geschieden; Heirat in zweiter Ehe mit Mario Widakowitsch Raubitschek, d. i. Mario Widakowitsch (Wien um 1908 – ?), Sohn einer Hausfrau und eines Arztes und Hochschullehrers
Sohn: Enrique Krüger; d. i. Heinz Krüger (Wien 7. November 1920 – Santiago de Chile, Chile 24. September 2010): Zivilingenieur
Tochter: Stella Maria Krüger (Wien 1923 – 2017)

Biographie

Der Komponist und Kapellmeister Viktor Krüger. 1907 bis 1919

Viktor Krüger wandte sich zunächst der Musik zu und studierte Komposition bei Arnold Schönberg (1874–1951). Bereits am 17. Februar 1907 dirigierte er bei der Wohltätigkeits-Akademie im k. k. priv. Carl-Theater als ausdrücklicher Schüler von Arnold Schönberg »Aufforderung zum Tanz« (1819) von Carl Maria von Weber (1786–1826) in der Orchestrierung von Hector Berlioz (1803–1869) und am 4. November 1908 im Rahmen eines Konzertes der Schönberg-Schüler im Großen Musikvereinssaal seine eigene Bearbeitung eines norwegischen Tanzes von Edvard Grieg (1843–1907). Daneben studierte Krüger Musikwissenschaft an der Universität Wien, wo er am 22. März 1909 zum Dr. phil. promoviert wurde. Krüger, der 1909 das Judentum verlassen hatte, dirigierte mit dem Orchester des Wiener Musikerbundes am 17. April 1909 im »Verein für Kunst und Kultur« die Oper »La finta giardiniera« (1775) von Wolfgang Amadeus Mozart (1756–1791).

Für die Spielsaison 1909/1910 wurde Viktor Krüger als zweiter Operettenkapellmeister und Korrepetitor am Mährischen Theater Olmütz (Mähren [Olomouc, Tschechien]) engagiert, und 1910/11 war er Direktor-Stellvertreter und Leiter der Oper am neu gegründeten Deutschen Theater in Teschen (Österreichisch-Schlesien [Cieszyn, Polen]). Im September 1911 kaufte Krüger das Stadttheater Leitmeritz (Böhmen [Litoměřice, Tschechien]), das er als Direktor leitete. Bereits im Dezember 1911 verließ Krüger nach einer Pleite des Theaters fluchtartig Leitmeritz und wurde wegen des Bankrotts am 22. September 1912 vom Gericht zur Zahlung der ausstehenden Summe von 5.000 Kronen verurteilt.

Seit Jänner 1912 war Viktor Krüger Kapellmeister am Theater an der Wien, schrieb daneben 1912 die Musik und die Texte für ein Kabarettprogramm seiner Ehefrau Emma Wilhelmine Krüger, geborene Schwarz (1898–1994). Da er die vom Gericht verfügte Zahlung seiner Schulden nicht tätigen konnte, wurde im Mai 1913 über das Vermögen von Krüger der Konkurs verhängt.

Für die Spielsaison 1913/1914 wurde Viktor Krüger als erster Opernkapellmeister und Direktor-Stellvertreter am Stadttheater in Saarbrücken (Preußen [Saarland]) verpflichtet. 1914 meldete er sich als Freiwilliger zum Kriegsdienst, war als Leutnant d. Res. Trainstaffel-Kommandant in Wien und entwickelte 1915 das »Eiserne Kreuz« als auf einem Fuhrwerk fahrbare Version des »Wehrmannes in Eisen«. Daneben war er auch als Kapellmeister tätig und dirigierte 1917 das Orchester der Wiener Kammerspiele.

Der Anarchist Viktor Krüger in Wien. 1919 bis 1930

1919 wurde Viktor Krüger Mitglied des »Bundes herrschaftsloser Sozialisten« und sprach am 14. Mai 1919 in dessen »Föderativgruppe der herrschaftslos-sozialistischen Vereinigung geistiger Arbeiter ›Freiheit‹ Revolution!« im Café »City«, Wien 1., Werdertorgasse 3, über »Kunst und Kultur«. Dabei rief er zur Gründung einer neuen Sektion »Kunst und Kulturbund (Föderativgruppe der herrschaftslos-sozialistischen Vereinigung geistiger Arbeiter ›Freiheit‹)« auf, die sich am 3. Juni 1919 im »Café Prückel« in Wien 1., Stubenring 24, erstmals traf und deren Sekretär Krüger wurde. Noch am 19. August 1919 hielt er die Eröffnungsrede auf der Volkskundgebung und Massenversammlung zum Schutz der Republik gegen die Wiederkehr des Monarchismus des »Bundes herrschaftsloser Sozialisten« in der Volkshalle des Wiener Rathauses in Wien 1., Rathausplatz 1. Doch am 9. November 1919 trat er nach heftigen Zwistigkeiten mit Rudolf Großmann alias Pierre Ramus (1882–1942) über dessen Finanzen aus dem »Bund herrschaftsloser Sozialisten« aus – genauer: er wurde ausgeschlossen.

Viktor Krüger kaufte 1920 das Neunkirchner Volkstheater in Neunkirchen (Niederösterreich), das er als Direktor leitete und in welchem er unter anderem Gedichte von Robert Bodanzky (1879–1923) rezitierte. Doch auch mit diesem Unternehmen machte Krüger Pleite, und es wurde im Juli 1921 neuerlich der Konkurs über sein Privatvermögen verfügt, der erst im Juli 1923 mit Zustimmung aller Gläubiger aufgehoben wurde. Krüger war weiterhin als Kapellmeister tätig und wurde im Juli 1923 beim Kainz-Theater in Wien als Leiter des Vereinsorchesters engagiert, und im Sommer 1923 reiste er mit seiner Ehefrau Emma Krüger nach Schweden, um mit ihr eine Modefirma zu gründen. Im Juni 1925 wurde Krüger als Initiator Generalbevollmächtigter der »Amerikanischen Aktion« der Österreichischen Handelskammer, die sich mit der Erzeugung von Industrie- und Heimarbeitsmassenartikeln in Österreich für den Export in die USA befasste. Außerdem entwickelte er 1926 eine Anleitung zum Bau eines einfachen Radios. 1928 trat er als Kapellmeister des Stadttheaters Baden (Niederösterreich) auf. Schlagzeilen lieferte Krüger am 19. Dezember 1928 bei der Exekution in seiner Wohnung anlässlich seiner bevorstehenden Scheidung, wobei er, nachdem ihm die Wegnahme seiner Kinder mitgeteilt wurde, seine Ablehnung von Gesetz und Justiz bekundete und mit Suizid drohte. Er wurde aus diesem Anlass wegen öffentlicher Gewalttätigkeit am 24. September 1929 zu vierzehn Tagen strengem Arrest bedingt verurteilt. Ein letztes Mal trat Krüger in Wien am 23. Februar 1930 als Dirigent auf, als er das erste Konzert des neuen Operettentheaters »Margaretner Orpheum« dirigierte.

Der Anarchist Viktor Krüger in Santiago de Chile. 1930 bis 1963

1930 wanderte Viktor Krüger nach Santiago de Chile (Chile) aus, wo er Angestellter der Stadtgemeinde wurde. 1931 schloss er sich der »Nueva Acción Pública« (Neue Öffentliche Aktion) an, wo er einer anarchistischen Untergruppe angehörte, in der er die Ergokratie propagierte. Er war auch weiterhin als Dirigent tätig und dirigierte beispielsweise im Dezember 1933 ein Konzert der »Asociación Nacional de Conciertos Sinfónicos« (Nationale Vereinigung für Symphonische Konzerte) in Santiago de Chile. Vor allem aber propagierte er seine libertäre Form einer syndikalistischen Ergokratie und war Berater des Secretaría de Planificación del Consejo Nacional de Economía (Planungssekretariat des Nationalen Wirtschaftsrates), das 1949 sein Projekt »Ergocracia«, die Gründung einer ergokratischen Versuchskolonie, förderte.

Adressen

  • Wien 2., Taborstaße 12 (Geburtsadresse)
  • Wien 2., Gredlerstraße 4. (1919)
  • Wien 2., Wachaustraße 35/31 (1921)

Bücher und Broschüren

  1. Die Entwicklung Carl Maria von Weber’s in seinen Jugendopern Abu Hassan und Silvana. Wien 1907, 35 Bl., Maschinschrift, Dissertation an der Universität Wien. Betrifft Carl Maria von Weber (1786–1826).
  2. ¡Leer o perecer! La salvación de Chile. Valdivia: Imprenta J. Borneck 1932, 26 S. Erschien unter dem Autorennamen »Victor Krüger«. Spanisch: Lesen oder zugrunde gehen! Die Rettung Chiles.
  3. Mane Thecel Fares. Ergocracia. El descubrimiento sensacional de Enrique Fárber. No habrá más crisis. Santiago de Chile: Editorial Nascimento 1938, 48 S. Erschien unter dem Autorennamen »Victor Krüger«. Spanisch: Menetekel. Ergokratie. Die sensationelle Entdeckung von Heinrich Färber. Es wird keine Krise mehr geben.
  4. Ergocracia. Base científica para una revolución económica. Santiago, Chile: Editorial Nascimento 1956, 237 S. Erschien unter dem Autorennamen »Victor Krüger«. Spanisch: Ergokratie. Wissenschaftliche Grundlage für eine wirtschaftliche Revolution.
  • Revolution! (Wien / Wien – Leipzig – Berlin / Wien – Berlin) 1919
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