02.09.01. Resolution [zum Sozialistengesetz]. 9. Mai 1886

Resolution.1

In Erwägung, daß das geplante Sozialistengesetz nur ein Ausdruck der Ratlosigkeit und Angst der herrschenden Klassen gegenüber der großen historischen Tatsache der Entstehung und des imposanten Anschwellens der sozialdemokratischen Arbeiterpartei ist;

in Erwägung, daß ebenso wenig irgendein Ausnahmegesetz als irgendwelche Zwangsmaßregeln imstande sind, eine mächtige Kulturbewegung zu unterdrücken oder auch nur zu hemmen;

in weiterer Erwägung, daß durch das in Rede stehende Gesetz zu der absoluten politischen Rechtlosigkeit der Arbeiter noch hinzugefügt werden soll, daß sie von der im Staatsgrundgesetz gewährleisteten Gleichheit vor dem Gesetz prinzipiell ausgeschlossen, daß insbesondere ihre pflichtmäßigen Bestrebungen im Interesse der Partei als gemeine Verbrechen gebrandmarkt werden sollen;

in schließlicher Erwägung, daß das heute bestehende Vereins-, Preß- und Versammlungsgesetz derart elastisch und engherzig ist und so gehandhabt wird, daß jeder Organisation der Arbeiter zu politischen oder ökonomischen Zwecken gehindert und verfolgt wird,

protestieren die heute Sonntag den 9. Mai 1886 in Schwenders Kolosseum versammelten Arbeiter gegen dieses Gesetz als eine schändliche und unnütze Maßregel und erklären, daß es den Lehren der Wissenschaft ebenso wie den Grundsätzen freien Menschentums ins Gesicht schlägt; erklären weiter, daß sie nach wie vor für ihr Parteiprogramm treu, einig und fest einstehen werden in dem Bewußtsein, daß der Sieg des Proletariats das notwendige Resultat des Ganges der Geschichte ist, und fordern schließlich die Abgeordneten aller Nationen, deren Rechtsgefühl noch nicht vollständig vom Klassenegoismus oder Byzantinismus erstickt ist, auf, nicht nur gegen dieses Gesetz zustimmen, sondern auch dahin [369] zu wirken, daß den Arbeitern ihre bisher vorenthaltenen politischen Rechte endlich zuerkannt werden.

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    Zitiert nach Ludwig Brügel (1866–1942): Geschichte der österreichischen Sozialdemokratie. Dritter Band: Parteihader. Propaganda der Tat. Einigung. (1878 bis 1889). Wien: Verlag der Wiener Volksbuchhandlung 1922, S. 368–369.